Die Lennox-Falle - Roman
er fort. »Ein Haar, ganz besonders dunkles Haar, ist für das bloße Auge praktisch unsichtbar. Man schiebt eines so ins Schloß, daß ein Stück nach außen hängt. Und wenn jemand die Tür öffnet, ist das Haar weg. Deines war noch dort, wo ich es gelassen hatte; deshalb ist niemand hier gewesen, seit wir hier weggegangen sind.«
»Ich bin beeindruckt.«
»Von Harry. Das war ich auch.« Drew schlüpfte aus seinem Jackett, warf es auf einen Sessel und wandte sich Karin zu. »Okay, Lady, also, was läuft da?«
»Ehrlich, ich verstehe nicht, was du willst.«
»Zwischen Claude und dir ist irgendwas vorgefallen, und ich möchte wissen, was. Du bist nur ein einziges Mal mit ihm allein gewesen, und zwar als er heute früh das erste Mal hier war und ich dann ins Schlafzimmer ging, um mich umzuziehen.«
»Oh, das meinst du«, sagte Karin. »Ich nehme an, ich bin da einen Schritt zu weit gegangen.«
»Zu weit gegangen …?«
»Ja. Ich hab ihm gesagt, daß er kein Recht hat, einen amerikanischen Geheimdienstmann in seiner Bewegungsfreiheit so zu beschränken. Er sagte, er habe das Recht, alles zu tun, was er für richtig hält, solange es nicht um den Botschaftsbereich geht. Und da hab ich ihn gefragt, wie es ihm wohl gefallen würde, wenn man dem Deuxième oder dem Service d’Etranger sagen würde, daß sie sich nicht frei in Washington bewegen könnten, und dann hat er gesagt -«
»Schon gut, schon gut«, fiel Lennox ihr ins Wort. »Ich hab schon kapiert.«
»Du lieber Gott, Drew, das hab ich für dich getan.«
»Okay, das akzeptiere ich ja. Ich habe ja selbst gesehen, wie wütend er war, als ich ihm sagte, er solle uns gefälligst in Ruhe lassen. Die Franzosen sind wirklich sauer, wenn man an ihrer Allmacht zweifelt.«
»Ich glaube, das gilt für die meisten Leute mit Verantwortung. Ob sie nun Franzosen, Deutsche, Engländer oder Amerikaner sind. Die mögen es alle nicht, wenn man ihre Autorität in Frage stellt.«
»Und was ist mit Belgiern - oder sollte ich sagen, Flamen? Ich kann das nie auseinanderhalten.«
»Nein, wir sind dafür zu zivilisiert. Wir sind Vernunftgründen zugänglich«, erwiderte Karin und lächelte. Dann lachten beide, und die kleine Auseinandersetzung war beigelegt. »Ich werde mich morgen früh bei Claude entschuldigen und ihm erklären, daß ich einfach überreagiert habe … Sag mal, Drew, glaubst du wirklich, daß Strasbourg vorhatte, Janine mit dieser Injektion zu töten?«
»Sicher. Ihre Tarnung ist geplatzt - also haben die Neonazis keine Wahl. Und das macht Moreaus Aufgabe nur noch schwieriger. Jetzt muß er nicht nur weiterhin jeden ihrer Schritte überwachen, sondern muß darüber hinaus darauf vorbereitet sein, daß man sie zu töten versucht. Was plagt dich denn? Vor einer Stunde warst du doch unserer Meinung.«
»Ich weiß nicht. Das ist alles so verwirrend. Tut mir leid, ich bin einfach erschöpft.«
»Willst du mir damit etwas andeuten? Soll ich beim Zimmerservice fragen, ob die einen Liebestrank haben?«
»Ich sagte erschöpft, nicht von Sinnen.« Sie fielen sich in die Arme und küßten sich lange und hingebungsvoll. Das Telefon klingelte.
»Jetzt glaube ich bald wirklich, daß das Telefon unser natürlicher Feind ist«, sagte Karin.
»Ich reiß es aus der Wand.«
»Nein, das wirst du nicht. Du wirst dich melden.«
»Die Lady ist von der Inquisition ausgebildet worden.« Lennox trat an den Schreibtisch und nahm den Hörer auf. »Ja?«
»Ich bin’s«, sagte Moreau. »Hat Wesley Sie angerufen?«
»Nein, sollte er das?«
»Es kann nicht mehr lange dauern, aber im Augenblick ist er sehr beschäftigt, und unser Freund Witkowski ist kurz davor, nach Washington zu fliegen und das CIA-Hauptquartier in die Luft zu jagen.«
»Naja, Stanley war bei G-2 und hat nie sehr viel von der Firma gehalten. Was ist denn passiert?«
»Man hat die beiden Blitzkrieger, die der Colonel unter strengster Geheimhaltung nach Washington geschickt hat, tot in dem sicheren Haus vorgefunden. Erschossen.«
»Du große Scheiße! In einem sicheren Haus?«
»Wesley hat es auch nicht glauben können. Die führen jetzt allen Leuten in diesem Haus in Virginia Fotos von jedem einzelnen Mitarbeiter in jeder Abteilung der CIA vor.«
»Das wird nichts bringen. Ich habe im Augenblick blondes Haar und eine Brille, und keiner kennt mich. Sagen Sie denen, Sie sollen nach jemandem suchen, der auf dem College Theater gespielt hat.«
»Sagen Sie das Wesley. Ich habe schon genug um die Ohren.
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