Die Leopardin
Caermoel herum Herden weiden zu lassen.
Kurz
vor der Schlachtung anläÃlich des Martinstages gebar sie einen Sohn.
Beim Glockenläuten, das die Frommen zur Morgenmesse rief, platzte die
Fruchtwasserblase. Und bald nach dem Gottesdienst kam das Baby zur
Welt. »Sie muÃte sich nicht mehr anstrengen, als wenn sie zur Toilette
gegangen wäre«, erklärte die Zofe Alys später.
Hugh,
nach dem GroÃvater mütterlicherseits benannt, war ein groÃes, gut
entwickeltes Baby. Alle staunten, weil er seiner zufriedenen,
glücklichen Mutter bei der Niederkunft so wenig Mühe bereitet hatte.
Seit seinem ersten Atemzug willensstark und stimmgewaltig, zeigte er
deutlich das Erbe seiner Normannen- und Wikinger-Ahnen und kaum
walisische Züge. Bei seiner Taufe am Dreikönigsabend besaà er schon
dichtes blondes Haar, und zwischen fast weiÃen Wimpern blickten
lebhafte hellblaue Augen in die Welt.
»Der Name Hugh
paÃt zu ihm«, sagte Judith zu ihrer Schwiegertochter, als die Taufe im
Schloà gefeiert wurde. »Er gleicht deiner Familie.«
Lächelnd
stimmte Eleanor zu. Wie sie wuÃte, war die alte Frau zunächst gekränkt
gewesen, weil Renards Erstgeborener nicht Guyon hieÃ. Aber Judith
änderte ihre Meinung, als sich in den nächsten Wochen die Züge des
Babys, die Haar- und die Augenfarbe entwickelten.
»Er sieht meinem Bruder Warrin ähnlich«, antwortete Eleanor. »Besonders um die Augen herum, findest du nicht auch?«
Die
zarten Falten um Judiths Mundwinkel vertieften sich ein wenig. Vor
zwölf Jahren hatte Warrin bei einer StraÃenkeilerei sein Leben
verloren, unter ungeklärten Umständen. Irgendwie waren Adam und Heulwen
in die Sache verwickelt gewesen. Niemand hatte allzu gründliche
Nachforschungen angestellt, aus Angst, schlafende Hunde zu wecken.
Statt Eleanor beizupflichten, erwiderte sie: »Renard scheint nur
Rotschöpfe zu zeugen. Roslinds Tochter hat kupferblondes Haar, und auch
bei Hugh sieht man bereits einen ausgeprägten rötlichen Schimmer. Den
hat von Guyons Kindern nur Heulwen mitbekommen. Ich bin froh, daà du
deine Schwägerin und Adam gebeten hast, neben Lord Leicester die
Patenschaft deines Sohnes zu übernehmen.«
»Das eine
geschah aus politischen Gründen, das andere, weil es ein
Herzensbedürfnis war.« Renard schob sich zwischen seine Frau und seine
Mutter.
Vorwurfsvoll starrte Judith ihn an. »Ich wünschte, du würdest dich nicht immer so lautlos an die Leute heranschleichen.«
»Du
wirst eben allmählich schwerhörig«, entgegnete er respektlos und küÃte
ihre Wange, ehe er sich zu Eleanor wandte. »Tanzt du mit mir, Nell?
Oder bist du jetzt eine würdige Matrone, der es verboten ist, mir deine
FuÃknöchel zu zeigen?«
»Wenn ich dir meinen Knöchel zeige, willst du auch noch was anderes sehen.« Lachend ergriff sie seine ausgestreckte Hand.
»Allerdings«,
gab er vergnügt zu, und sie wurde ein biÃchen rot. Hughs Taufe fiel mit
Eleanors Aussegnung und Reinigung zusammen. Das bedeutete, daà sie
wieder mit Renard schlafen durfte. AuÃerdem beging man den
Dreikönigsabend, wo dem närrischen Treiben keine Grenzen gesetzt wurden.
Zwischen
ausgelassenen Paaren lieà sie sich von ihrem Mann auf der Tanzfläche
herumwirbeln. Ihre Brüste, schwer von der Muttermilch, begannen zu
schmerzen. Ancelin forderte sie auf, drückte einen schmatzenden Kuà auf
ihre Wange und trampelte ihr auf den Zehen herum. Mit glasigem Blick
grinste er sie an. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Judith
sich unauffällig zurückzog, als die Stimmung der Tauffeier immer
übermütiger wurde. Eleanor landete wieder in Renards Armen. Er hatte
bemerkt, wohin sie so sehnsüchtig geschaut hatte, zog sie fester an
sich und flüsterte ihr ins Ohr: »Gehen wir ins Bett.«
Das
Blut stieg ihr ins Gesicht. Nie würde sie sich daran gewöhnen, mit
ihrem Mann einen Raum voller Leute zu verlassen, die ihnen alle
nachstarrten, genau wuÃten, was nun geschehen würde, Witze machten und
sogar Wetten abschlossen, wie lange es dauern würde. »Ich muà Hugh
stillen«, versuchte sie ihn hinzuhalten.
»Dann lauf zu
Alys, hol ihn und bring ihn nach oben.« Als er ihre unsichere Miene
sah, verdrehte er die Augen. »Um Himmels willen, Nell, ich werde nicht
über dich herfallen und dich vergewaltigen! Ich dachte nur, du
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