Die Leopardin
wolltest
dich von diesem Trubel hier erholen. Meine Nerven halten das jedenfalls
nicht mehr aus.«
Sie erinnerte sich, wie er einmal
erklärt hatte, er brauche Entspannung und Ablenkung von seinen Sorgen.
Aus diesem Grund war er damals so oft nach Hawkfield geritten â zu
Olwen. Plötzlich wurde sie von Zerknirschung erfaÃt. »Ich hole Hugh«,
sagte sie und bahnte sich einen Weg durch das Getümmel.
Im
Schlafgemach war es seltsam still. Nichts vom Lärm des Festes drang
herauf. Nur das Knistern der Erlenholzscheite im Kamin und das Heulen
des Windes am verschlossenen Fensterschlitz war zu hören. Als Hugh an
der Brust seiner Mutter saugte, entwickelte er wie üblich soviel Gier
wie ein Seemann, der nach einer dreimonatigen Schiffsfahrt die
erstbeste Bierkneipe stürmt. Vor lauter Eile verschluckte er sich ein
paarmal. Renard setzte sich auf die Truhe, die Beine ausgestreckt, an
die Wand gelehnt. Er beobachtete seine Frau und das Baby. Nur wenige
Kerzen brannten in den kleinen Haltern und verströmten mattes goldenes
Licht. Sanft schimmerte Eleanors nackte Haut. Hugh hielt eine ihre
langen schwarzen Haarsträhnen fest in der winzigen Faust.
Es
war ein erfreulicher Anblick, aber er schnürte Renards Kehle zu, und
das lag nicht nur an väterlicher Rührung. »Ich dachte, Harry würde
kommen. Das Wetter war schön, und ich habe ihn ausdrücklich eingeladen.«
Eleanor
schaute vom blonden Köpfchen ihres Sohnes auf. »Vielleicht ist die
Wunde noch zu frisch. Und wenn er mich mit dem Baby sehen würde â¦Â«
Sie lieà das Ende des Satzes in der Luft hängen.
»Mag
sein.« Renard zuckte die samtverhüllten Schultern. »Aber ich hatte
gehofft, er wäre inzwischen darüber hinweggekommen. William ist im
feindlichen Lager. Trotzdem hat er einen walisischen Boten mit guten
Wünschen und einem Taufgeschenk zu uns geschickt.«
»Die
Entfernung und die Meinungsverschiedenheiten können die enge
Verbundenheit zwischen dir und William nicht beeinträchtigen. Deine
Beziehung zu Harry war stets nur oberflächlich, wenn ihr euch auch bei
jeder Begegnung freundlich angelächelt habt.«
Er wich
ihrem Blick aus, wuÃte aber, daà sie die Wahrheit sagte.
»Trotzdem â er hätte kommen müssen.« Sein Gesicht war
ausdruckslos, aber sie spürte seine innere Spannung. »Es ist einfach zu
still, Nell.«
»Aber unten hast du dich beschwert â¦Â«
»Nein,
ich rede nicht von diesem Zimmer«, unterbrach er sie, »sondern vom
Krieg. Stephen, Mathilda, Ranulf de Gernons. Was immer Chester bekommen
mag, er will noch mehr. Und wenn auf der einen Seite nichts mehr zu
holen ist, wendet er sich zur anderen.«
Hugh war an
Eleanors Brust eingeschlafen. Vorsichtig trug sie ihn zur Wiege und
legte ihn hinein. Dann ging sie zu Renard. Sie hatte sich nicht die
Mühe gemacht, das Oberteil ihres Kleides zu schlieÃen, und sie sah
seinen Blick auf den weiÃen Rundungen ihrer Brüste. »Glaubst du, er
wird Stephen wirklich den Rücken kehren?« fragte sie â nicht, weil
sie das im Moment ernsthaft interessierte, sondern weil es ihr zu kühn
erschienen wäre, sich einfach auf seinen Schoà zu setzen. Die lange
Enthaltsamkeit vor und nach der Geburt hatte nicht nur ihr Verlangen
gesteigert, sondern auch ihre Schüchternheit.
»Zweifellos.
Er hat keinen Grund mehr, dem König treu zu bleiben. Carlisle konnte er
nicht zwischen die Finger kriegen, Lincoln ebensowenig, von Caermoel
gar nicht zu reden.« Sein Lachen klang etwas spröde.
»Wünschst
du dir, du wärst in Antiochien geblieben?« Sie war näher zu ihm
getreten. Zögernd legte sie ihm eine Hand auf die Schultern. Ihr Daumen
streifte seinen Hals, und sie spürte, wie sich sein Puls beschleunigte.
»Manchmal«,
seufzte er. »Aber dort streiten sich noch machthungrigere Kriegsherren.
Nun, ich stand in der Hierarchie zu tief unten, um allzusehr davon
behelligt zu werden.« Er schlang einen Arm um ihre Taille und tat, was
sie erhofft hatte â er zog sie auf seinen SchoÃ. Dann küÃte er
sie, und alle Gespräche verstummten.
Sie waren im Bett
gelandet, atemlos und halb ausgekleidet, als Owain sich lautstark auf
der anderen Seite des Vorhangs räusperte und verkündete, Lord Harry sei
eingetroffen und wolle sofort mit Lord Renard reden.
Renard
schloà die Augen und preÃte seine Lippen auf Eleanors
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