Die Leopardin
auf den Feind. Die Gruppen K und L nähern sich dem Feind unter meinem Kommando und nehmen ihn fest. Es wird kein einziger Schuss abgefeuert – ist das klar?«
Schiller, offenkundig der Denker unter den Männern, hob wiederum die Hand. »Was ist, wenn der Feind das Feuer auf uns eröffnet?«
»Es wird nicht erwidert. Als Leichen nützen uns diese Leute nichts mehr. Bleiben Sie am Boden, und halten Sie den Feind im Lichtkegel Ihrer Scheinwerfer. Der Gebrauch der Waffe ist ausschließlich den Gruppen E und F gestattet, und die haben Order, den Feind nur zu verwunden. Wir wollen diese Fallschirmspringer nicht töten, sondern verhören.«
Das Telefon im Ballsaal klingelte, und Hans Hesse nahm den Hörer ab. »Für Sie, Herr Major«, sagte er einen Moment später zu Franck. »Hauptquartier Rommel.«
Das kommt mir wie gerufen, dachte Franck, als er den Hörer entgegennahm. Er hatte zuvor Walter Goedel in La Roche-Guyon zu erreichen versucht und um Rückruf gebeten.
»Walter, mein Freund, wie geht’s dem Generalfeldmarschall?«
»Gut. Was wollen Sie?«, fragte Goedel schroff und knapp wie immer.
»Ich denke, es wird den Generalfeldmarschall interessieren, dass wir heute Abend einen kleinen Coup vorhaben – nämlich die Festnahme einer Gruppe von Saboteuren gleich bei ihrer Ankunft.« Franck zögerte; er hielt nicht viel von Detailangaben am Telefon. Allerdings war dies eine Militärleitung, bei der das Risiko, dass sie von der Resistance abgehört wurde, sehr gering war. Hinzu kam, dass Goedels Unterstützung ein entscheidender Faktor für das Gelingen der Operation war. »Nach meinen Informationen kann uns einer der Saboteure eine Menge über die verschiedenen Zellen der Resistance erzählen.«
»Ausgezeichnet«, sagte Goedel. »Wie’s der Zufall will, bin ich gerade in Paris. Wie lange dauert es von dort nach Reims – zwei Stunden?«
»Drei.«
»Dann werde ich mich pünktlich der Operation anschließen.«
Franck war hocherfreut. »Unbedingt«, sagte er, »wenn das dem Wunsch des Generalfeldmarschalls entspricht. Wir treffen uns im Schloss von Sainte-Cecile Punkt neunzehn Uhr.« Sein Blick streifte Major Weber, der ein wenig blass geworden war.
»Sehr gut.« Goedel legte auf.
Franck drückte Hesse den Hörer wieder in die Hand und wandte sich an die Runde. »Der persönliche Adjutant von Generalfeldmarschall Rommel, Major Goedel, wird heute Abend an unserem Einsatz teilnehmen«, verkündete er triumphierend.
»Das soll uns zusätzliche Motivation sein, unseren Auftrag mit äußerster Präzision zu erfüllen.« Er lächelte breit in die Runde, bis sein Blick schließlich auf Weber zu ruhen kam. »Dusel, was?«, fragte er ihn. »Finden Sie nicht auch?«
Die Fahrt der Dohlen gen Norden nahm den ganzen Vormittag in Anspruch. Es ging nur langsam voran, durch Laubwälder und Felder, auf denen grüner Weizen stand, im Zickzack von einem Marktflecken zum nächsten, dann um London herum gen Westen. Auf dem Land schien man weder vom Krieg noch vom zwanzigsten Jahrhundert Notiz zu nehmen, und Flick hoffte, dass das noch lange so bleiben würde. Als der Kleinbus sich durchs mittelalterliche Winchester lavierte, musste sie an Reims denken, eine andere Domstadt, doch dort stolzierten die Nazis durch die Straßen, und die schwarzen Limousinen der Gestapo waren allgegenwärtig. Flick dankte dem Himmel dafür, dass die Deutschen nicht über den Ärmelkanal gekommen waren. Sie saß neben Paul und ließ die Landschaft an sich vorüberziehen, bis die Müdigkeit nach der durchwachten Liebesnacht sie überwältigte. Ihr Kopf sank auf Pauls Schulter, und sie schlummerte selig ein.
Gegen zwei Uhr nachmittags erreichten sie das Dorf Sandy in Bedfordshire. Der Bus fuhr eine kurvenreiche Landstraße entlang, bog auf einen ungepflasterten Waldweg ab und hielt vor einer großen Villa mit Namen Tempsford House. Flick kannte sich aus: Es war der Sammelplatz für den nahe gelegenen Flugplatz Tempsford. Mit einem Schlag war ihre Ruhe dahin. Seiner barocken Eleganz zum Trotz war dieses Herrenhaus für sie vor allem ein Symbol für jene unerträgliche Anspannung, die jedes Mal in den Stunden unmittelbar vor einem Flug ins Feindgebiet von ihr Besitz ergriff.
Fürs Mittagessen kamen sie zu spät, doch servierte man ihnen im Esszimmer Tee und Sandwiches. Flick trank ihren Tee, doch zum Essen fühlte sie sich zu aufgeregt. Die anderen dagegen griffen herzhaft zu.
Nachdem man ihnen ihre Zimmer gezeigt hatte, trafen sich die Frauen in der
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