Die Leopardin
Dutzend Männern umlagert, von denen einige die Uniform der Royal Air Force trugen. Von ihren früheren Aufenthalten in Tempsford House wusste Flick, dass sie alle auf ihren Einsatzbefehl für geheime Flüge über Frankreich warteten. Auf einer Tafel standen die Namen oder Decknamen derer, die heute noch starten würden, einschließlich der Abfahrtszeiten zum Flugplatz:
Aristoteles – 19.50
Hptm. Jenkins & Ltnt. Ramsey – 20.05
Die Dohlen – 20.30
Colgate & Bunter – 21.00
Mr. Blister, Paradox, Saxophone – 22.05
Flick warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Noch zwei Stunden. Sie setzte sich an die Bar, sah sich um und fragte sich, wer von den jungen Männern wohl wieder heimkehren und wer von ihnen fallen würde. Manche waren noch schrecklich jung, rauchten, gaben Witze zum Besten und sahen aus, als hätten sie nicht die geringsten Sorgen. Die Älteren wirkten abgehärtet und ließen sich ihren Whisky oder Gin in dem finsteren Bewusstsein schmecken, dass es womöglich ihr letzter war. Flick dachte an die Eltern dieser Männer, an ihre Frauen oder Freundinnen, ihre Kinder. Die Arbeit der kommenden Nacht würde einigen von ihnen eine traurige Last aufbürden, von der sie sich ihr Leben lang nicht ganz würden befreien können.
Flicks düstere Gedanken wurden abrupt unterbrochen durch das Auftreten zweier Personen, mit denen sie nicht im Entferntesten gerechnet hätte: Simon Fortescue, der aalglatte Bürokrat vom MI6, betrat die Bar in einem Nadelstreifenanzug, und in seiner Begleitung befand sich Denise Bouverie.
Flick starrte die beiden mit offenem Mund an.
»Flick, ich freue mich, dass ich Sie noch erwischt habe«, sagte Fortescue und zog, ohne auf eine Einladung zu warten, einen Hocker für Denise heran. »Gin mit Tonic bitte, Barkeeper. Was möchten Sie trinken, Lady Denise?«
»Einen Martini, sehr trocken.«
»Und Sie, Flick?«
Flick ging auf die Frage nicht ein, sondern wies auf Denise. »Sie sollte inzwischen längst in Schottland sein!«
»Hören Sie, Flick, da scheint es gewisse Missverständnisse gegeben zu haben. Denise hat mir alles über diesen Burschen von der Polizei erzählt. «
»Da gab’s kein Missverständnis«, unterbrach Flick ihn barsch. »Denise hat den Test nicht bestanden, das ist alles.«
Denise räusperte sich angewidert.
»Ich verstehe wirklich nicht«, sagte Fortescue, »wie eine hochintelligente junge Dame aus bester Familie dabei durchfallen konnte.«
»Sie ist ein Plappermaul.«
»Wie bitte?«
»Sie kann ihre verdammte Klappe nicht halten! Sie ist nicht vertrauenswürdig und sollte nicht mehr frei herumlaufen!« »Du unverschämtes Miststück«, sagte Denise.
Es kostete Fortescue sichtlich Überwindung, seinen Zorn im Zaum zu halten. Er senkte die Stimme. »Sehen Sie, ihr Bruder ist der Marquis von Inverlocky, der sehr gut befreundet ist mit dem Premierminister. Inverlocky hat mich persönlich gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass Denise eine Chance erhält. Unter diesen Umständen wäre es schrecklich taktlos, ihr dieselbe zu verweigern.«
Flick hob die Stimme. »Lassen Sie mich das noch mal ganz klar ausdrücken.« Ein, zwei Männer an der Bar hoben die Köpfe. »Um einem Ihrer Freunde aus der Oberklasse einen Gefallen zu tun, verlangen Sie von mir, dass ich eine Person, die ich für nicht vertrauenswürdig halte, auf eine gefährliche Mission hinter den feindlichen Linien mitnehme. Sehe ich das richtig?«
Noch während sie sprach, betraten Percy Thwaite und Paul Chancellor die Bar. Percy starrte Fortescue mit unverhüllter Antipathie an, und Paul fragte: »Hab ich da richtig gehört?«
»Ich habe«, sagte Fortescue, »Denise hierher begleitet, weil es, offen gesagt, für die Regierung höchst peinlich wäre, wenn man sie hier ließe...«
»Und für mich wäre es, offen gesagt, höchst gefährlich, wenn wir sie mitnähmen!«, unterbrach ihn Flick. »Sie können sich Ihr Plädoyer sparen. Denise wurde von uns gefeuert.«
»Hören Sie, ich will hier nicht den Vorgesetzten rauskehren.«
»Welchen Vorgesetzten?«, schnappte Flick.
»Ich bin bei den Guards als Oberst in Pension gegangen. «
»In Pension!«
». und mein Rang im Civil Service entspricht dem eines Brigadegenerals.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte Flick. »Sie sind nicht einmal in der Armee.«
»Ich befehle Ihnen, Denise mitzunehmen.«
»Dann bitte ich um Bedenkzeit für meine Antwort«, sagte Flick.
»Das klingt schon besser. Sie werden es gewiss nicht zu bereuen
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