Die Leopardin
Verdunkelungsvorschriften hielt – alles konnte wertvolle Hinweise liefern.
Den ganzen Flug über dachte Flick über die von Brian Standish übermittelten Botschaften nach. Auch »Charenton«, der neue Mitstreiter, ging ihr nicht aus dem Kopf. Wahrscheinlich stimmte die Geschichte sogar. Einer der bei dem Gefecht in Sainte-Cecile in
Gefangenschaft geratenen Resistance-Kämpfer hatte der Gestapo von dem konspirativen Treffpunkt in der Krypta der Kathedrale erzählt. Die Deutschen hatten den Ort seitdem überwacht, und Brian war prompt in die Falle gegangen, dann aber mithilfe des von Mademoiselle Lemas angeworbenen neuen Mannes entkommen. Es klang wirklich sehr plausibel – nur: Flick traute plausiblen Erklärungen nicht über den Weg. Sie fühlte sich nur dann sicher, wenn die Dinge genau nach Plan verliefen und keine weiteren Erklärungen erforderlich machten.
Als sie sich der Champagne näherten, kam eine weitere Navigationshilfe ins Spiel. Dabei handelte es sich um eine neue Erfindung namens Eureka/Rebecca. Ein Peilsender strahlte von einem geheimen Standpunkt in Reims ein Rufsignal aus. Die Crew der Hudson wusste nicht genau, wo es sich befand. Flick dagegen kannte den Standort: Michel hatte den Sender in einem Turm der Kathedrale installiert. Das war die eine Hälfte, Eureka. Die andere Hälfte, Rebecca, war ein Empfangsgerät an Bord des Flugzeugs, eingezwängt gleich neben dem Navigator. Ungefähr fünfundsiebzig Kilometer nördlich von Reims empfing der Navigator das Signal von Eureka aus der Kathedrale.
Nach den ursprünglichen Plänen der Erfinder hätte der Eureka- Teil vom Empfangskomitee jeweils zur vorgesehenen Landebahn gebracht werden sollen, doch hatte sich das in der Praxis als so gut wie undurchführbar erwiesen. Das gute Stück wog über hundert Pfund und war viel zu unhandlich, um unbemerkt transportiert werden zu können – ganz abgesehen davon, dass selbst der naivste Gestapo-Beamte an einer Straßensperre Verdacht geschöpft hätte, weil es einfach keine vernünftige Erklärung für das Mitführen eines solchen Geräts gab. Michel und andere Resistanceführer hatten sich bereit erklärt, Eureka an einem dauerhaften Standort aufzustellen, es aber abgelehnt, den Sender dauernd mit sich herumzuschleppen.
Der Navigator musste Chatelle also mit herkömmlichen Methoden finden. Es war ein Glücksfall für ihn, dass Flick neben ihm saß, die schon mehrmals bei Chatelle gelandet war und den Ort aus der Luft erkennen konnte. Endlich waren sie am Ziel: Zwar flogen sie fast eineinhalb Kilometer östlich am Dorf vorbei, doch Flick erspähte den Teich und ließ den Piloten zurückfliegen.
Die Maschine kreiste über dem Dorf und überflog in einer Höhe von dreihundert Fuß die Viehweide. Flick sah die vier schwach flackernden Markierungslichter, aufgestellt in Form eines L, wobei die Taschenlampe am untersten Ende einen verabredeten Code blinkte. Der Pilot zog das Flugzeug auf sechshundert Fuß hinauf, die ideale Höhe für den Absprung: Wer aus größerer Höhe sprang, wurde vom Wind zu weit vom vorgesehenen Landeplatz abgetrieben. Bei Absprängen aus niedrigerer Höhe konnte es passieren, dass der Fallschirm bis zum Aufprall des Springers auf dem Boden nicht genug Zeit hatte, sich vollständig zu entfalten.
»Ich bin so weit, wenn Sie ‘s auch sind«, sagte der Pilot.
»Ich bin nicht bereit«, sagte Flick.
»Was ist los?«
»Irgendwas stimmt nicht.« Flicks Gespür für Gefahren ließ die Alarmglocken in ihrem Kopf schrillen. Es ging nicht mehr nur um Brian Standish und Charenton, sondern da war noch etwas anderes. Sie deutete nach Westen, auf das Dorf. »Da! Kein einziges Licht!«
»Das stört Sie? Ist doch Verdunkelung. Außerdem ist es schon nach drei Uhr.«
Flick schüttelte den Kopf. »Wir sind hier auf dem Land. Da scheren sich die Leute nicht so sehr um die Verdunkelung. Und irgendwer ist immer auf: Eine Mutter mit einem Neugeborenen, jemand, der nicht schlafen kann, ein Student, der fürs Examen paukt. Ich hab dieses Dorf noch nie total verdunkelt gesehen.«
»Wenn Sie wirklich so ‘n schlechtes Gefühl dabei haben, sollten wir uns schnell wieder aus dem Staub machen«, sagte der Pilot nervös.
Es gab noch etwas, das Flick beunruhigte. Sie versuchte, sich am Kopf zu kratzen, doch war ihr dabei der Helm im Weg, und da war der vage Gedanke auch schon wieder verschwunden.
Was soll ich tun?, dachte sie. Ich kann doch die Operation nicht einfach abblasen, nur weil sich die Einwohner
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