Die Leopardin
nach dem Puls. Nichts. »Du warst vielleicht nicht der beste Spion, den ich kannte, aber ein tapferer Junge«, sagte er leise. »Gott schenke deiner Seele Frieden.« Er drückte ihm die Augen zu.
Die anderen drei wurden gerade entwaffnet und gefesselt. Clairet versprach ein harter Brocken zu werden: Franck hatte ihn im Einsatz erlebt und wusste, dass er Mut hatte. Sein einziger Schwachpunkt war vermutlich seine Eitelkeit. Er sah gut aus, und er war ein Weiberheld. Einen wie ihn folterte man am besten vor einem Spiegel: Man brach ihm die Nase, schlug ihm die Zähne aus, schlitzte ihm die Wangen auf und machte ihm somit unmissverständlich klar, dass er mit jeder Minute, die er sich weiter widersetzte, immer hässlicher wurde.
Der andere Mann strahlte Souveränität aus, vielleicht war er Anwalt. Ein Gestapo-Beamter durchsuchte ihn und zeigte Franck eine Sondergenehmigung, die es Dr. Claude Bouler gestattete, auch nach der Ausgangssperre noch unterwegs zu sein. Franck hielt das Dokument zunächst für gefälscht, doch bei der Durchsuchung der Fahrzeuge wurde eine echte Arzttasche voller Instrumente und Medikamente gefunden. Der gefangene Bouler war bleich, aber gefasst: Auch sein Verhör versprach alles andere als leicht zu werden.
Am vielversprechendsten war das Mädchen. Sie war um die neunzehn und hübsch, mit langen dunklen Haaren und großen Augen, aber sie hatte einen leeren Blick. Ihre Papiere besagten, dass sie Gilberte Duval hieß. Von Gaston wusste Franck, dass sie Clairets Geliebte war und damit die Nebenbuhlerin von dessen Frau Felicity. Wenn man sie richtig behandelte, ließ sie sich wahrscheinlich leicht umdrehen.
Die deutschen Fahrzeuge wurden aus der Scheune des Maison Grandin geholt; die Gefangenen transportierte ein Gestapo-Laster ab. Franck befahl, sie in Einzelzellen zu sperren, damit sie sich nicht untereinander absprechen konnten.
Er selbst und Goedel wurden in Webers Mercedes nach Sainte- Cecile gefahren. »Was für eine verdammte Farce«, bemerkte Weber vorwurfsvoll. »Zeit- und Kraftvergeudung, sonst nichts.«
»Nicht ganz«, gab Franck zurück. »Immerhin haben wir vier subversive Elemente aus dem Verkehr gezogen – was ja im Grunde die Aufgabe der Gestapo ist –, und außerdem sind drei davon noch am Leben, sodass wir sie verhören können.«
»Was hoffen Sie von ihnen zu erfahren?«, fragte Goedel.
»Der Tote, Helicopter, war Funker«, erklärte Franck. »Ich habe eine Abschrift seines Codeblocks. Schade, dass er sein Gerät nicht dabeihatte. Wenn wir es finden, können wir in seine Rolle schlüpfen.«
»Wenn Sie seine Frequenz kennen, geht das doch auch mit jedem anderen Funkgerät, oder?«
Franck schüttelte den Kopf. »Für erfahrene Ohren klingt jeder Sender anders. Diese kleinen Koffergeräte sind besonders unverwechselbar. Alle nicht unbedingt nötigen Schaltungen wurden weggelassen, um Platz zu sparen. Die schlechte Tonqualität ist eine Folge davon. Mit einem Apparat der gleichen Baureihe, vielleicht von einem anderen englischen Spion, könnte es allerdings klappen.«
»Wahrscheinlich haben wir sogar irgendwo einen.«
»Ja, aber dann bestimmt in Berlin. Da sehen wir lieber zu, dass wir dieses Gerät finden.«
»Und wie wollen Sie das schaffen?«
»Das Mädchen wird es mir verraten.«
Franck nutzte den Rest der Fahrt, um sich seine Verhörstrategie zurechtzulegen. Er konnte das Mädchen vor den Augen der Männer foltern lassen, aber vielleicht nahmen sie das hin. Mehr versprach er sich davon, die Männer vor den Augen des Mädchens zu foltern.
Doch vielleicht gab es noch eine bessere Möglichkeit.
Sie fuhren gerade an der Stadtbibliothek im Zentrum von Reims vorbei, als ein vager Plan in seinem Gehirn Gestalt annahm. Franck war das Gebäude bereits früher aufgefallen – ein kleines Juwel in Art-Deco-Architektur und hellbraunem Stein und umgeben von einem kleinen Garten. »Major Weber, hätten Sie etwas dagegen, den Wagen kurz anhalten zu lassen?«, bat Franck.
Weber brummte dem Fahrer einen Befehl zu.
»Haben Sie Werkzeuge im Kofferraum?«
»Keine Ahnung«, sagte Weber. »Was soll das?«
Der Fahrer sagte unaufgefordert: »Selbstverständlich, Herr Major, wir führen den vorgeschriebenen Werkzeugkasten mit.«
»Enthält der einen großen Hammer?«
»Jawohl, Herr Major.« Der Fahrer sprang aus dem Wagen.
»Bin gleich wieder da«, sagte Franck und stieg ebenfalls aus.
Der Fahrer reichte ihm einen Hammer mit langem Stiel und klobigem Stahlkopf. Franck schritt
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