Die Leopardin
pummelige Frau in einer
Schürze, vermutlich die Köchin. Der zweite Gestapo-Beamte hielt sie mit seiner Pistole in Schach. Am hinteren Ende des Tisches saß eine dünne Frau von ungefähr fünfzig Jahren. Sie hatte rotes Haar, das mit silbergrauen Strähnen durchzogen war, und trug ein Sommerkleid aus hellgelber Seide. Ihre Haltung war gefasst und wirkte ein wenig hochnäsig.
Franck wandte sich an den Gestapo-Mann und fragte leise: »Wo ist der Hausherr?«
»Um acht fortgegangen. Sie wissen nicht, wohin. Er wird zum Mittagessen zurückerwartet.«
Franck wandte sich der Frau zu und sah sie scharf an. »Madame Laperriere?«
Sie nickte ernst, ließ sich jedoch nicht dazu herab, ein Wort zu sagen.
Franck beschloss, ihr in ihrer Aufgeblasenheit einen Denkzettel zu erteilen. Es gab genug deutsche Offiziere, die die französische Oberklasse mit Respekt behandelten. Franck hielt sie alle für Narren. Es fiel ihm gar nicht ein, diese Frau in ihrer Arroganz auch noch zu bestätigen, indem er höflich zu ihr ging, um mit ihr zu sprechen. »Bringen Sie sie her!«, befahl er.
Einer der Männer sprach sie an. Sie erhob sich langsam von ihrem Stuhl und kam auf Franck zu. »Was wollen Sie?«, fragte sie ihn.
»Gestern hat eine Gruppe englischer Agentinnen zwei deutsche Offiziere und eine französische Zivilistin getötet. Die Mörderinnen sind noch immer auf freiem Fuß.«
»Das tut mir leid«, sagte Madame Laperriere.
»Sie haben die Französin gefesselt und ihr aus nächster Nähe in den Hinterkopf geschossen«, fuhr er fort. »Ihr Gehirn hat sich über ihr ganzes Kleid verteilt.«
Madame Laperriere schloss die Augen und drehte den Kopf zur Seite.
»Eben diese Agentinnen«, sagte Franck, »wurden heute Nacht von Ihrem Gatten in seiner Kellerei beherbergt. Fällt Ihnen irgendein
Grund ein, der dafür spricht, dass er nicht aufgeknüpft werden sollte?«
Hinter ihm brach das Dienstmädchen in Tränen aus.
Madame Laperriere war erschüttert. Sie wurde bleich im Gesicht und musste sich plötzlich setzen. »Nein, bitte nicht«, flüsterte sie.
Franck sagte: »Sie können Ihrem Gatten helfen, indem Sie mir sagen, was Sie über diesen Vorfall wissen.«
»Ich weiß gar nichts«, sagte sie leise. »Sie sind nach dem Abendessen gekommen und vor dem Morgengrauen wieder gegangen. Ich habe sie gar nicht zu Gesicht bekommen.«
»Wie sind sie von hier weggekommen? Hat Ihr Mann ihnen einen Wagen zur Verfügung gestellt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben kein Benzin.«
»Wie liefern Sie dann den Champagner aus, den Sie produzieren?«
»Unsere Kunden müssen hierher kommen.«
Franck glaubte ihr kein Wort. Felicity Clairet brauchte unbedingt ein Transportmittel. Deshalb hatte Michel Clairet den Lieferwagen Philippe Mouliers ausgeliehen und hierher gebracht. Allerdings – als er ankam, war seine Frau mit den Dohlen bereits fort gewesen. Sie musste daher eine andere Fahrgelegenheit aufgetan und beschlossen haben, früher aufzubrechen. Und gewiss hatte sie auch eine Nachricht hinterlassen, in der sie ihrem Mann ihr Verhalten erklärte und ihm beschrieb, wohin er sich wenden musste, um wieder zu ihnen zu stoßen.
»Wollen Sie mir etwa weismachen«, fragte Franck Madame Laperriere, »dass die Bande zu Fuß unterwegs ist?«
»Nein«, antwortete sie. »Ich sagte bereits, dass ich es nicht weiß. Als ich heute Morgen aufstand, waren sie schon fort.«
Franck war nach wie vor davon überzeugt, dass sie ihn anlog. Aber die Wahrheit aus ihr herauszuholen würde Zeit und Geduld kosten – und beides fehlte ihm inzwischen. »Alle verhaften«, ordnete er an, übellaunig vor Wut und Frustration.
Im Flur klingelte das Telefon. Franck verließ den Salon und hob den Hörer ab.
Eine Stimme mit deutschem Akzent sagte: »Geben Sie mir bitte Major Franck.«
»Am Apparat.«
»Hier Leutnant Hesse, Herr Major.«
»Was gibt’s, Hesse?«
»Ich bin am Bahnhof. Clairet hat den Wagen abgestellt und eine Fahrkarte nach Maries gekauft. Der Zug fährt gleich ab.«
Genau damit hatte Franck gerechnet! Die Dohlen waren vorausgefahren und hatten Clairet instruiert, ihnen zu folgen. Offenbar planten sie noch immer, den Eisenbahntunnel zu sprengen. Wieder ist mir dieses Weib einen Schritt voraus, dachte Franck. Es ist zum Verzweifeln! Aber immerhin kenne ich ihr Ziel und bin ihr nach wie vor auf den Fersen. Bald schnappe ich sie. »Los, steigen Sie in den Zug«, sagte er zu Hesse. »Bleiben Sie am Mann! Wir sehen uns in Maries.«
»Jawohl, Herr
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