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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Haaresbreite entkommen. Franck hatte einen Saboteur nach dem anderen erwischt, nur diese Frau ging ihm immer wieder durch die Lappen.
    Er beendete seine Rasur, trocknete sein Gesicht ab, rief im Chateau an und gab Order, einen Wagen mit Fahrer und zwei Gestapo-Männern zu schicken. Dann zog er sich an, erbat sich unten in der Hotelküche ein halbes Dutzend ofenwarme Croissants, die er in eine Leinenserviette wickelte, und ging in den kühlen Morgen hinaus. Die Türme der Kathedrale glänzten silbern im frühen Licht. Draußen wartete bereits einer der schnellen Gestapo-Citroëns auf ihn.
    Er nannte dem Fahrer die Adresse Mouliers. Dort drückte sich, etwa fünfzig Meter weiter die Straße hinunter, Leutnant Hesse in einem Kaufhauseingang herum. Die ganze Nacht lang, sagte Hesse, sei kein Mensch gekommen oder gegangen; Clairet musste also noch im Haus sein. Franck befahl dem Fahrer, hinter der nächsten Ecke zu warten, und gesellte sich wieder zu Hesse. Gemeinsam aßen sie die Croissants und sahen über den Dächern von Reims die Morgensonne aufsteigen.
    Das Warten wollte und wollte kein Ende nehmen. Minuten und Stunden tickten dahin, und Franck musste seine Ungeduld mit aller
    Gewalt bezähmen. Stephanies Tod lag ihm schwer auf dem Herzen, doch der Schock der ersten Stunden hatte sich inzwischen gelegt. Sogar sein Interesse am Kriegsverlauf war zurückgekehrt. Er stellte sich vor, wie sich im Augenblick irgendwo im Süden Englands die geballten Streitkräfte der Alliierten sammelten, ganze Schiffsladungen voller Panzer und hochgerüsteter Soldaten, die nur darauf brannten, die friedlichen Küstenstädtchen Nordfrankreichs in Schlachtfelder zu verwandeln. Er dachte an die französischen Partisanen, die – dank Nachschubs aus der Luft bis auf die Zähne bewaffnet – bereitstanden, den deutschen Verteidigern in den Rücken zu fallen, sie quasi von hinten zu erdolchen und Rommels Manövrierfähigkeit entscheidend zu schwächen. Und hier stand er, Dieter Franck, lächerlich und machtlos in einem Ladeneingang in Reims und wartete darauf, dass ein Amateurspion geruhte, sein Frühstück zu beenden! Aber dieser Mann würde ihn heute endlich zum Kern der Resistance führen – vielleicht, jedenfalls. Franck konnte nur das Beste hoffen.
    Es war schon nach neun Uhr, als die Haustür geöffnet wurde.
    »Na, endlich«, flüsterte Franck und zog sich vom Bürgersteig zurück, um nicht gesehen zu werden. Leutnant Hesse drückte seine Zigarette aus.
    Clairet kam nicht allein aus dem Haus, sondern in Begleitung eines Jungen von etwa siebzehn Jahren, bei dem es sich möglicherweise um einen Sohn Mouliers handelte. Der Junge hatte einen Schlüssel. Er öffnete das Vorhängeschloss am Hoftor und zog die beiden Torflügel auf. Ein blank geputzter schwarzer Lieferwagen, auf dessen Seiten in weißen Buchstaben der Schriftzug Moulier & Fils – Viandes prangte, kam zum Vorschein. Clairet stieg ein.
    Franck war wie elektrisiert: Wenn Clairet sich einen Lieferwagen borgte, dann brauchte er ihn für die Dohlen. »Los!«, sagte er.
    Hesse hastete zu seinem Motorrad, das er am Trottoir geparkt hatte, stellte sich mit dem Rücken zur Straße und tat, als fummle er am
    Motor herum. Franck rannte zur Ecke, winkte dem Gestapo-Fahrer, den Motor anzulassen, und konzentrierte sich wieder auf Clairet.
    Der Lieferwagen verließ den Hof, bog auf die Straße ein und beschleunigte.
    Hans Hesse ließ das Motorrad an und folgte ihm. Franck sprang in den Citroen und gab Order, dem Leutnant zu folgen.
    Sie fuhren Richtung Osten. Auf dem Beifahrersitz des Gestapo-Fahrzeugs saß Franck und blickte nervös durch die Windschutzscheibe. Mouliers Lieferwagen war leicht auszumachen, da er einen hohen Kastenaufbau mit einem Ventil oben drauf hatte, das wie ein Schornstein aussah. Dieses kleine Ventil führt mich zu Felicity Clairet, dachte Franck optimistisch.
    Im Chemin de la Carriere bremste der Lieferwagen und bog in den Hof der Champagner-Kellerei Laperriere ein. Hesse fuhr vorbei und bog an der nächsten Ecke ab. Francks Fahrer folgte ihm. Als beide Fahrzeuge hielten, sprang Franck aus dem Wagen.
    »Ich glaube, die Dohlen haben hier übernachtet«, sagte er zu Hesse.
    »Durchsuchen, Herr Major?«, schlug der Leutnant eilfertig vor.
    Franck dachte nach. Er stand vor dem gleichen Dilemma wie gestern vor der Bar. Gut möglich, dass sich die Leopardin in der Kellerei aufhält, dachte er. Aber wenn ich zu früh zuschlage, verliere ich womöglich unser trojanisches

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