Die Leopardin
wieder mit Stephanie teilen würde. Wenn ich um sie weinen könnte, dachte er, gingen die Kopfschmerzen sicher wieder weg. Doch als die Tränen nicht kommen wollten, gab er sich selbst eine Morphiumspritze und ließ sich auf die Tagesdecke fallen.
Noch vor dem Morgengrauen weckte ihn das Telefon wieder auf. Rommels Adjutant Walter Goedel war am Apparat. Franck, noch nicht ganz bei sich, fragte: »Hat die Invasion begonnen?«
»Nein, heute noch nicht«, erwiderte Goedel. »Das Wetter überm Kanal ist schlecht.«
Franck setzte sich auf und schüttelte den Kopf, um klar denken zu können. »Was gibt’s denn dann?«
»Die Resistance hat auf jeden Fall irgendwas erwartet. Überall in Nordfrankreich hat es heute Nacht gekracht, ein Sabotageakt nach dem anderen.« Goedels Stimme, ohnehin schon unterkühlt, klang so frostig wie nie zuvor. »Es hätte eigentlich Ihre Aufgabe sein sollen, das zu verhüten. Was haben Sie im Bett zu suchen?«
Franck fühlte sich kalt erwischt. Er musste sich zusammenreißen, um zu seiner gewohnten Haltung zurückzufinden. »Ich bin einem der führenden Resistance-Kader unmittelbar auf den Fersen«, sagte er, bemüht, seinen Ton von allem freizuhalten, was auch nur im Entferntesten den Eindruck erwecken könnte, er entschuldige sich für seine Erfolglosigkeit. »Gestern Abend hätte ich die Clairet schon fast gehabt. Heute ist sie dran. Keine Sorge – spätestens morgen Vormittag nehmen wir Hunderte von den Kerlen hoch. Das verspreche ich Ihnen.« Er bereute umgehend, dass er die letzten vier Worte in einem beinahe flehenden Ton ausgesprochen hatte.
Goedel zeigte sich ungerührt. »Übermorgen wird es vermutlich zu spät dafür sein.«
»Ich weiß.« Franck brach ab. Goedel hatte bereits aufgelegt.
Franck legte den Hörer auf die Gabel und sah auf seine Armbanduhr. Vier Uhr morgens. Er stand auf.
Die Migräne war verschwunden, doch er verspürte eine leichte Übelkeit, die entweder vom Morphium oder von dem unerfreulichen Anruf herrührte. Er trank ein Glas Wasser und schluckte dazu drei Aspirin-Tabletten, dann begann er sich zu rasieren. Während er sich mit dem Pinsel das Gesicht einschäumte, ging er in Gedanken nervös noch einmal die Ereignisse des vergangenen Abends durch und stellte sich die Frage, ob er wirklich sein Möglichstes getan hatte.
Er hatte Leutnant Hesse vor der Bar Chez Regis postiert und war Michel Clairet bis zum Anwesen von Philippe Moulier gefolgt. Moulier versorgte Restaurants und Wehrmachtküchen mit Frischfleisch, und seine Wohnung befand sich direkt über dem Metzgerladen, an den auf einer Seite ein Hof angrenzte. Franck hatte das gesamte Objekt eine Stunde lang im Auge behalten, doch niemand war herausgekommen.
Danach war er davon ausgegangen, dass Clairet vermutlich bei Moulier übernachten würde, und hatte von einer Bar aus Hans Hesse angerufen. Der hatte sich aufs Motorrad gesetzt und sich um zehn Uhr mit ihm vor dem Moulier-Grundstück getroffen. Hesse hatte ihm von der Razzia bei Chez Regis berichtet – und dem aus unerklärlichen Gründen leeren Raum im ersten Stock.
»Die müssen ein Frühwarnsystem haben«, hatte Franck spekuliert. »Wenn jemand kommt und oben nachsehen will, schlägt der Barmann unten Alarm.«
»Sie glauben, dass der Raum von den Partisanen benutzt wurde?«
»Wahrscheinlich. Früher hat vermutlich die Kommunistische Partei dort ihre Treffen abgehalten. Die Resistance hat dann das System übernommen.«
»Aber wie konnten sie gestern Abend entkommen?«
»Durch eine Falltür unterm Teppich oder dergleichen – die Kommunisten mussten ja immer mit dem Schlimmsten rechnen und dürften entsprechend vorgesorgt haben. Haben Sie den Barmann festgenommen?«
»Ich habe alle Personen festgenommen, die ich dort vorgefunden habe. Sie befinden sich jetzt im Schloss.«
Franck hatte die Beobachtung des Hauses von Moulier Leutnant Hesse überlassen und war nach Sainte-Cecile gefahren. Dort hatte er den vor Angst schlotternden Barbesitzer Alexandre Regis vernommen und binnen weniger Minuten erfahren, dass er mit seiner Vermutung weit am Ziel vorbeigeschossen hatte. Der Raum über der Bar diente weder der Resistance als Schlupfwinkel, noch war er jemals Treffpunkt der Kommunisten gewesen. Es handelte sich vielmehr um einen illegalen Spielclub. Immerhin hatte Regis bestätigt, dass Michel an jenem Abend da gewesen war. Außerdem habe er sich dort mit seiner Frau getroffen.
Es war zum Verrücktwerden. Wieder einmal war Felicity Clairet um
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