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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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möglich von der Straße zu bringen, kamen sie vielleicht noch einmal davon. Gab es Zeugen? Ihr Blickfeld war durch die Fensterläden stark eingeengt.
    Sie stieß sie auf und lehnte sich zum Fenster hinaus. Zur Linken war alles still in der Rue du Chateau. Außer einem am Straßenrand abgestellten Lastwagen und einem Hund, der auf einer Türschwelle lag und schlief, war nichts zu sehen. Von der anderen Seite her näherten sich jedoch drei junge Leute in polizeiartigen Uniformen, zwei Männer und eine Frau. Es mussten Gestapo-Beamte aus dem Schloss sein.
    Der Milizionär fiel auf den Gehsteig. Aus seinem Mund floss Blut.
    Ehe Flick den Mund aufmachen und Ruby warnen konnte, sprangen die zwei Männer von der Gestapo auch schon auf sie zu und packten sie an den Armen.
    Flick zog den Kopf ein, schloss die Fensterläden wieder und beobachtete den weiteren Lauf der Ereignisse durch den schmalen Spalt zwischen den Ladenflügeln. Ruby war verloren. Einer der Männer schlug ihre rechte Hand mehrmals gegen die Wand des Haushaltswarengeschäfts, bis sie das Messer fallen ließ. Die Frau beugte sich über den blutenden Milizionär, hob seinen Kopf an und sprach auf ihn ein. Dann rief sie den beiden anderen Männern etwas zu. Der kurze Wortwechsel klang wie Hundegebell. Die Frau rannte in den Laden und kam mit dem Besitzer im Schlepptau wieder heraus. Der Mann, der eine weiße Schürze trug, beugte sich über den Milizionär und richtete sich mit ekelverzerrter Miene wieder auf – ob sein Widerwille von den schrecklichen Wunden des Mannes oder vom Anblick der verhassten Uniform herrührte, hätte Flick nicht sagen können. Die Frau rannte zurück zum Schloss, vermutlich, um Hilfe zu holen, und die beiden Männer schleppten Ruby in die gleiche Richtung.
    »Paul«, sagte Flick. »Geh raus und hol uns die Körbe, die Ruby fallen gelassen hat.«
    Paul zögerte keine Sekunde. »Zu Befehl, Ma’am«, sagte er und war schon verschwunden.
    Flick sah ihn über die Straße gehen. Der Ladenbesitzer sprach ihn an. Paul antwortete jedoch nicht, sondern bückte sich nur, hob die drei Körbe auf und ging wieder zurück.
    Der Ladenbesitzer starrte ihm nach. Flick las ihm seine Gedanken am Gesicht ab: Dem ersten Schock über Pauls Herzlosigkeit folgte eine Phase der Verwirrung; er versuchte, aus dem Gesehenen klug zu werden – und auf einmal schien er zu begreifen, was vor sich ging.
    »Beeilung jetzt!«, sagte Flick, als Paul in die Küche kam. »Packt eure Sachen in die Körbe, und dann nichts wie fort! Wir müssen an den Torwachen vorbei, solange dort noch Aufregung herrscht wegen Ruby.« Rasch stopfte sie eine große Taschenlampe, ihre zerlegte Sten, sechs Magazine mit jeweils zweiunddreißig Schuss und ihren Sprengstoffanteil in einen der Körbe. Ihre Pistole steckte in der Tasche, das Messer unter dem Aufschlag. Sie deckte die Waffen im Korb mit einem Tuch zu und legte eine Scheibe in Backpapier gewickelte Gemüsepastete obenauf.
    Jelly fragte: »Und wenn die Wachen am Tor die Körbe durchsuchen?«
    »Dann ist es aus mit uns«, sagte Flick. »Wir versuchen dann bloß noch, so viele Feinde wie möglich mit in den Tod zu nehmen. Sorgt nur dafür, dass ihr den Nazis nicht lebend in die Hände fallt!«
    »Ach du liebes Göttchen«, sagte Jelly. Dennoch überprüfte sie wie ein Profi das Magazin ihrer halbautomatischen Pistole und schob es mit einer entschlossenen Bewegung zurück, bis es einrastete.
    Die Kirchenglocke am Stadtplatz schlug sieben.
    Sie waren bereit.
    Flick sagte zu Paul: »Irgendwem wird auffallen, dass heute nur drei Putzfrauen kommen statt sechs wie sonst. Antoinette ist die Chefin. Vielleicht fragen sie bei ihr nach, was los ist. Wenn jemand hier aufkreuzt, wirst du ihn erschießen müssen.«
    »Alles klar.«
    Flick küsste Paul kurz, aber heftig auf den Mund und ging. Greta und Jelly folgten ihr.
    Auf der anderen Straßenseite stand noch immer der Ladenbesitzer und starrte den Milizionär an, der sterbend vor ihm auf dem Bürgersteig lag. Als die drei Frauen auftauchten, sah er sie kurz an, wandte aber sofort wieder den Blick ab. Wahrscheinlich überlegt er schon, was er beim Verhör sagen wird, dachte Flick: Ich habe nichts gesehen. Außer mir war kein Mensch da.
    Zu sechst waren sie aufgebrochen, jetzt waren sie nur noch zu dritt. Die drei Dohlen, die ihre Mission vollenden wollten, näherten sich dem Stadtplatz von Sainte-Cecile. Flick legte einen flotten Schritt vor, denn sie wollte so rasch wie möglich zum Schloss

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