Die Leopardin
drehte sich zu Ruby um. »Geh und kauf uns schnell noch drei solche Körbe.«
Ruby ging zur Tür.
»Wenn’s geht, drei verschiedene.« Flick hatte Bedenken, dass vier gleich aussehende Körbe Misstrauen erregen könnten.
»Klar.«
Paul fesselte die Frau, die zuletzt gekommen war, an einen Stuhl und knebelte sie. Er bat sie dabei wortreich um Entschuldigung und ließ seinen ganzen Charme spielen, sodass sie alles widerspruchslos über sich ergehen ließ.
Flick händigte Jelly und Greta ihre Passierscheine aus. Sie hatte sie mit Absicht bis zur letzten Minute zurückbehalten, denn wäre ein solcher Ausweis bei einer möglichen Verhaftung dem Gegner in die Hände gefallen, so wäre die Mission aufgeflogen. Rubys Passierschein noch in der Hand, trat sie wieder ans Fenster.
Ruby verließ in diesem Augenblick mit drei in Form und Farbe unterschiedlichen Körben den Laden. Erleichtert sah Flick auf die Uhr: Es war zwei Minuten vor sieben.
Da geschah das Unglück.
Ruby wollte gerade die Straße überqueren, als sie von einem Mann in militärischer Kleidung angesprochen wurde. Er trug ein Hemd aus blauem Köper mit geknöpften Brusttaschen, eine dunkelblaue Krawatte und eine Art Baskenmütze. Seine dunklen Hosen steckten in hohen Stiefeln. Flick erkannte die Uniform der Milice , jener französischen Sicherheitstruppe, die die Drecksarbeit für das Regime erledigte. »O nein!«, stöhnte sie.
Die Milice bestand, ähnlich wie die Gestapo, aus Männern, die zu dumm und zu brutal waren, um bei der normalen Polizei unterzukommen. Die höheren Chargen waren Oberklassen-Versionen vom gleichen Schlag, snobistische Patrioten, die ständig von Frankreichs Glanz und Gloria schwadronierten und dann ihre Schergen ausschickten, Judenkinder in ihren Kellerverstecken aufzuspüren und zu verhaften.
Paul sah Flick über die Schulter und sagte: »Oh, Mist, einer von diesen beschissenen Milizionären.«
Flicks Gedanken überstürzten sich. War das eine Zufallsbegegnung, oder steckte dahinter eine gezielte Aktion gegen die Dohlen? Die Milizionäre waren berüchtigte Wichtigtuer, die sich einen Spaß draus machten, ihre Mitbürger in Angst und Schrecken zu versetzen. Sie hielten wahllos Leute an, deren Aussehen ihnen nicht passte, kontrollierten minutiös ihre Papiere und verhafteten Menschen unter den aberwitzigsten Vorwänden. Flick hoffte, dass es sich in Rubys Fall auch um einen solchen Willkürakt handelte. Wenn die Polizei systematisch alle Passanten in den Straßen von Sainte-Cecile kontrolliert, dann kommen wir nicht einmal bis zum Schlosstor, dachte sie.
Der Uniformierte begann Ruby Fragen zu stellen. Sein Ton klang aggressiv. Flick konnte ihn nicht deutlich verstehen, schnappte aber die Wörter »Mischling« und »schwarz« auf und hielt es für möglich, dass der Mann die dunkelhäutige Frau als Zigeunerin beschimpfte. Ruby zog ihre Papiere heraus. Der Kerl prüfte sie und stellte weitere Fragen, ohne jedoch den Ausweis zurückzugeben.
Paul zog seine Pistole.
»Steck das Ding wieder ein«, befahl ihm Flick.
»Du wirst doch nicht tatenlos zusehen, wie er Ruby verhaftet?«
»Doch, werde ich«, erwiderte Flick kalt. »Wenn wir uns jetzt auf eine Schießerei einlassen, sind wir erledigt und können uns unsere Mission endgültig aus dem Kopf schlagen, ganz egal, wie’s ausgeht. Die Sabotage der Telefonzentrale ist wichtiger als Rubys Leben. Also – weg mit der verdammten Waffe!«
Paul schob die Pistole in den Hosenbund.
Der Wortwechsel zwischen Ruby und dem Milizionär eskalierte. Beklommen beobachtete Flick, wie Ruby die drei Körbe in die linke Hand nahm und ihre Rechte in die Manteltasche schob. Der Mann packte Ruby entschlossen an der linken Schulter – offenbar wollte er sie verhaften.
Ruby reagierte blitzschnell. Sie ließ die Körbe fallen, zog die Rechte aus der Tasche und hielt ein Messer in der Hand. Sie trat einen Schritt vor und stieß das Messer ungefähr aus Hüfthöhe kraftvoll nach oben. Die Klinge mit der nach oben gerichteten, aufs Herz zielenden Spitze drang direkt unterhalb der Rippen in den Körper ihres Widersachers ein.
»Scheiße!«, fluchte Flick.
Der Mann stieß einen Schrei aus, der rasch zu einem grässlichen Gurgeln erstarb. Ruby zog das Messer aus der Wunde und stieß erneut zu, diesmal von der Seite. Der Mann warf den Kopf zurück und öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton mehr heraus.
Flick kalkulierte die Optionen, die ihnen blieben. Wenn es gelang, die Leiche so schnell wie
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