Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Höllenangst vor ihr haben. Der Anblick ihrer wutverzerrten Miene verriet ihm allerdings, dass sie sich vor allem über sich selbst ärgerte, und das sagte er ihr auch: »Sie glauben ja selbst, dass Sie das verbockt haben. Kein Mensch regt sich so über die Fehler von anderen auf.«
    Jetzt war es an ihr, verblüfft zu sein. Ihr Mund klappte auf – aber sie war sprachlos.
    Colonel Thwaite ergriff das Wort: »Nun reg dich ab, Flick, um Gottes willen«, sagte er und wandte sich dann an Chancellor: »Lassen Sie mich raten! Der Bericht, auf den Sie sich stützen, stammt von Simon Fortescue vom MI6, oder?«
    »Das ist korrekt«, erwiderte Paul steif.
    »Hat er auch erwähnt, dass der Angriffsplan auf Aufklärungsmaterial seiner eigenen Organisation basierte?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Das habe ich mir gedacht«, sagte Thwaite. »Danke, Major. Jetzt brauche ich Sie nicht weiter zu behelligen.«
    Paul hatte nicht den Eindruck, dass das Gespräch tatsächlich schon beendet war. Aber da er von einem höheren Offizier entlassen worden war, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu entfernen.
    Er war offenbar ins Kreuzfeuer einer Fehde zwischen MI6 und SOE geraten. Am meisten ärgerte er sich über Fortescue, der das Treffen dazu missbraucht hatte, sich auf Kosten anderer zu profilieren. Ob Monty mit der Entscheidung, die Fernmeldezentrale zu bombardieren, richtig lag? Oder wäre es besser gewesen, der SOE einen zweiten Versuch zu genehmigen? Paul wusste es nicht.
    Kurz bevor er sein Büro betrat, warf er noch einen Blick zurück. Major Clairet stritt sich noch immer mit Colonel Thwaite. Sie sprach leise, aber ihre Züge waren lebhaft, und ihrer Gestik war zu entnehmen, dass sie ihrer Empörung freien Lauf ließ. Wie ein Mann stand sie da, leicht vorgebeugt, die eine Hand in die Hüfte gestemmt, die andere mit streitbar erhobenem Zeigefinger, um ihren Argumenten Nachdruck zu verleihen – und doch umgab sie etwas Charmantes, Bezauberndes. Paul stellte sich vor, wie es wäre, sie in den Armen zu halten und die Hände über ihren geschmeidigen Körper gleiten zu lassen. Sie ist knallhart, dachte er – und dennoch ein Vollblutweib.
    Aber ob sie wirklich Recht hatte und das Bombardement nutzlos war?
    Er beschloss, weitere Erkundigungen einzuziehen.
    Der große, rußgeschwärzte Block der Kathedrale erhob sich über dem Herzen der Stadt Reims wie der mahnende Finger Gottes. Es war Mittag, und Major Dieter Francks himmelblauer Hispano-Suiza fuhr gerade vor dem von den deutschen Besatzern requirierten Hotel Frankfurt vor. Franck stieg aus und blickte zu den stumpfen Zwillingstürmen empor. Nach den ursprünglichen Plänen aus dem Mittelalter hätten eigentlich elegante Spitztürme errichtet werden sollen, doch dazu war es aus Geldmangel nie gekommen – allerheiligste Absichten waren an weltlichen Hemmnissen gescheitert.
    Franck befahl Leutnant Hesse, zum Schloss von Sainte-Cecile zu fahren und sich der Kooperation der Gestapo zu versichern. Das Risiko einer zweiten Abfuhr durch Major Weber wollte er nicht eingehen. Hesse fuhr los, und Franck ging hinauf in die Hotelsuite, in der er am Abend zuvor Stephanie zurückgelassen hatte.
    Als er eintrat, erhob sie sich von ihrem Stuhl. Er genoss den Anblick: Stephanies rotes Haar wallte über bloße Schultern. Sie trug ein kastanienbraunes Seidennegligé und hochhackige Pantöffelchen. Franck küsste sie gierig und ließ seine Hände über ihren schlanken Körper gleiten, dankbar für das Geschenk ihrer Schönheit.
    »Schön, dass dir mein Anblick so gefällt«, sagte sie mit einem Lächeln. Wie immer sprachen sie Französisch miteinander.
    Franck atmete ihren Duft ein. »Na ja, du riechst ja auch erheblich besser als Hans Hesse, vor allem, wenn der die ganze Nacht über auf den Beinen war.«
    Mit sanfter Hand strich sie ihm das Haar zurück. »Immer machst du Witze. Aber mit deinem eigenen Körper geschützt hättest du Hans sicher nicht.«
    »Stimmt.« Er seufzte und ließ sie los. »Mein Gott, bin ich müde.«
    »Komm ins Bett.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich muss die Gefangenen verhören. Hesse holt mich in einer Stunde wieder ab.« Er ließ sich aufs Sofa fallen.
    »Ich besorge dir was zu essen.« Stephanie läutete. Eine Minute später klopfte es an der Tür. Es war ein älterer französischer Kellner. Stephanie kannte Franck gut genug, um für ihn zu bestellen. Sie bat um eine Schinkenplatte mit warmen Brötchen und Kartoffelsalat. »Ein Gläschen Wein?«, fragte sie

Weitere Kostenlose Bücher