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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Schamhaar war mit Blut verklebt.
    »Was hat sie Ihnen erzählt?«, fragte Franck, an Becker gewandt.
    »Nichts«, erwiderte der Wachtmeister, peinlich berührt.
    Franck nickte und unterdrückte seine Wut. Genau diese Antwort hatte er erwartet.
    Er ging auf die Frau zu und sagte auf Französisch: »Mademoiselle , hören Sie mich?«
    Sie reagierte nicht.
    Er versuchte es noch einmal: »Möchten Sie sich ausruhen?«
    Wieder keine Antwort.
    Dieter Franck drehte sich um. Weber stand in der Tür und sah ihn herausfordernd an. Eiskalte Wut erfüllte Franck. »Man hat Ihnen ausdrücklich gesagt, dass ich die Vernehmungen durchführe.«
    »Der Befehl lautete, Ihnen Zugang zu gewähren«, erwiderte Weber mit selbstgefälliger Pedanterie. »Niemand hat uns verboten, die Gefangenen selber zu verhören.«
    »Und sind Sie nun zufrieden mit den Ergebnissen?«
    Weber verzichtete auf eine Antwort.
    »Wo sind die anderen beiden?«, fragte Franck.
    »Wir haben noch nicht mit den Verhören begonnen.«
    »Gott sei Dank.« Er war trotzdem entsetzt. Mit einem halben Dutzend Gefangener hatte er gerechnet – unterm Strich blieben ihm zwei. »Führen Sie mich zu ihnen.«
    Auf ein Nicken Webers legte Becker seinen Knüppel beiseite und ging voran. Im hellen Licht der Flurlampen sah Franck die Blutflecken auf Beckers Uniform. Der Wachtmeister blieb vor einer Tür mit einem Guckloch stehen. Franck schob die Blende auf und spähte hinein.
    Ein in der Ecke stehender Eimer war das einzige Mobiliar in der Zelle. Auf dem nackten Boden saßen zwei Männer und starrten schweigend vor sich hin. Franck musterte sie aufmerksam. Er hatte sie gestern bereits gesehen. Der Ältere war Gaston Lefevre, der die Sprengsätze angebracht hatte. Auf seinem Schädel klebte ein großes Pflaster. Anscheinend handelte es sich nur um eine oberflächliche Verletzung der Kopfhaut. Der andere Mann war noch sehr jung, vielleicht siebzehn. Auch sein Name fiel Franck wieder ein – Bertrand. Bertrand Bisset. Er hatte keine erkennbaren Verletzungen davongetragen, aber Franck hielt es für möglich, dass er durch die
    Explosion einer Handgranate vorübergehend das Bewusstsein verloren hatte und noch immer unter Schock stand.
    Er nutzte die Beobachtungszeit zum Nachdenken. Er durfte jetzt keinen Fehler machen. Diese beiden Männer waren seine letzten Trümpfe – er konnte es sich unter keinen Umständen leisten, das Leben eines weiteren Gefangenen sinnlos zu vergeuden. Der junge Bursche, das war vorauszusehen, würde fürchterliche Angst haben, war aber möglicherweise imstande, starke Schmerzen auszuhalten. Der andere war zu alt für eine richtige Folter – es bestand die Gefahr, dass er starb, bevor er auspacken konnte. Aber vermutlich hatte er ein weiches Herz. Franck ahnte bereits, welche Verhörstrategie bei den beiden jeweils die richtige war.
    Er schob die Blende wieder vors Guckloch und kehrte in den Verhörraum zurück. Becker, der ihn erneut an einen dummen, aber gefährlichen Hund erinnerte, folgte ihm. »Wachtmeister Becker«, sagte er zu ihm. »Binden Sie die Frau los und bringen Sie sie in die Zelle zu den beiden anderen Gefangenen.«
    Weber protestierte. »Eine Frau in eine Männerzelle?«
    Ungläubig starrte Franck ihn an. »Bilden Sie sich wirklich ein, sie wird das noch als unschicklich empfinden?«
    Becker verschwand in der Folterkammer und kam kurz darauf wieder heraus, Genevieve Delys’ zerschundenen Körper über der Schulter.
    »Sorgen Sie dafür, dass der alte Mann sie genau zu sehen bekommt«, sagte er. »Und dann bringen Sie ihn her.«
    Becker zog ab.
    Franck wäre es am liebsten gewesen, wenn auch Weber verschwunden wäre – auf Nimmerwiedersehen, wenn möglich. Aber ihm war auch klar, dass dieser einem entsprechenden Befehl nie Folge leisten würde. Also sagte er zu ihm: »Ich glaube, Sie sollten hier bleiben und dem Verhör beiwohnen. Sie können von meinen Techniken eine Menge lernen.«
    Erwartungsgemäß widersprach Weber. »Glaub ich nicht. Becker kann mich auf dem Laufenden halten.« Franck setzte eine scheinbar unwillige Miene auf, und Weber entfernte sich.
    Leutnant Hesse, der still in einer Ecke saß, war nicht entgangen, wie geschickt Weber manipuliert worden war, und er sah seinen Vorgesetzten voller Bewunderung an. Franck zuckte mit den Schultern und sagte: »Manchmal ist es einfach zu leicht.«
    Becker kam zurück und brachte Gaston Lefevre mit. Der alte Mann war blass. Der Anblick der gefolterten jungen Frau hatte ihn sichtlich

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