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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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kein Detail unbeachtet ließ. Seine Devise lautete: Schlachten gewinnt man, indem man so lange nicht kämpft, bis alle Vorbereitungen getroffen sind.
    Um fünf vor zehn betrat Simon Fortescue den Zeichensaal. Er gehörte zu den Führungskräften des militärischen Geheimdiensts MI6. Der hoch gewachsene Mann im Nadelstreifenanzug hatte eine geschmeidige, autoritätsbewusste Art, doch Paul zweifelte daran, ob er tatsächlich so viel von der Geheimdienstarbeit in der realen Welt verstand. Hinter Fortescue betrat John Graves den Raum, ein nervös wirkender Beamter aus dem Ministerium für Wirtschaftliche Kriegsführung, dem die SOE unterstand. Graves trug die »White- hall-Uniform«: schwarzes Jackett zu grauen, gestreiften Hosen. Paul runzelte die Stirn. Er hatte Graves nicht eingeladen.
    »Mr. Graves!«, sagte er in scharfem Ton. »Ich wusste nicht, dass wir Sie gebeten hätten, an dieser Konferenz teilzunehmen.«
    »Ich werde es Ihnen gleich erklären«, sagte Graves, setzte sich auf eine Schülerbank und öffnete seine Aktentasche. Seine Nervosität hatte sich nicht gelegt.
    Paul war gereizt. Monty hasste Überraschungen. Aber hinauswerfen konnte er Graves nicht.
    Sekunden später betrat General Montgomery den Raum. Er war ein kleiner Mann mit spitzer Nase und hoher Stirn. Tiefe Falten auf beiden Seiten seines kurz getrimmten Schnurrbarts zeichneten sein Gesicht. Er war sechsundfünfzig, sah aber älter aus. Paul mochte ihn. Monty war so gewissenhaft, dass manche Menschen in seiner Gegenwart die Geduld verloren und ihn ein altes Weib schimpften. Paul dagegen war fest davon überzeugt, dass Montys Pedanterie Menschenleben gerettet hatte.
    In Montys Begleitung befand sich ein Amerikaner, den Paul nicht kannte. Monty stellte ihn als General Pickford vor. »Wo ist der Mann von der SOE?«, fragte er ungehalten und sah Paul an.
    Graves antwortete: »Er wurde bedauerlicherweise zum Premierminister gerufen und bittet daher vielmals um Entschuldigung. Ich hoffe, dass ich ihn angemessen vertreten kann. «
    »Bezweifle ich«, sagte Monty kühl.
    Paul stöhnte innerlich. Ein echter snafu – und man würde ihn dafür verantwortlich machen. Aber da war noch etwas anderes im Busch. Die Briten spielten ein Spiel, das er nicht durchschaute. Er beobachtete sie genau und suchte nach Hinweisen.
    Simon Fortescue sagte glatt: »Die Wissenslücken kann sicher ich auffüllen.«
    Monty war erkennbar wütend. Er hatte General Pickford eine Einsatzbesprechung versprochen, und die Person, auf die es ankam, war nicht erschienen. Doch er verschwendete keine Zeit auf Zurechtweisungen. »In der bevorstehenden Schlacht«, sagte er ohne weitere Präliminarien, »werden die ersten Momente die gefährlichsten sein. «
    Dass er von »gefährlichen Momenten« spricht, ist ungewöhnlich für ihn, dachte Paul. Normalerweise geht er davon aus, dass alles wie ein Uhrwerk funktioniert.
    »Einen Tag lang hängen wir mit den Fingerspitzen an der Klippe«, fuhr der General fort, und Paul dachte, einen Tag oder zwei Tage lang, vielleicht auch eine Woche lang oder noch länger. »Das ist die größte Chance des Feindes. Er braucht uns nur mit den Hacken seiner Kampfstiefel auf die Finger zu treten.«
    So einfach ist das, dachte Paul. Overlord ist die größte Militäroperation in der Menschheitsgeschichte: Tausende von Schiffen, Hunderttausende von Soldaten, Millionen Dollar, zig Millionen Kugeln. Die Zukunft der Welt hängt vom Ausgang dieser Operation ab. Und doch: Wenn in den ersten Stunden der Invasion etwas schiefgeht, kann diese gewaltige Truppe zurückgeschlagen werden.
    »Es kommt in entscheidendem Maße darauf an, dass wir alles tun, was in unserer Macht steht, um die Reaktion des Feindes zu verzögern«, sagte Monty abschließend. Sein Blick ruhte auf Graves.
    »Nun, die Abteilung F der SOE hat mehr als hundert Agenten in Frankreich«, begann Graves. »Das sind de facto alle unsere Leute. Und unter ihrer Führung stehen mehrere Tausend französische Resistance-Kämpfer. Wir haben in den vergangenen Wochen viele Hundert Tonnen an Waffen, Munition und Sprengstoff für sie abgeworfen.«
    Die Antwort eines Bürokraten, dachte Paul. Sie besagt alles und nichts. Graves hätte weitergesprochen, doch Monty unterbrach seinen Redefluss mit der Schlüsselfrage: »Wie steht es um die Effektivität dieser Maßnahmen?«
    Da der Beamte zögerte, ergriff Fortescue das Wort: »Meine Erwartungen sind da eher bescheiden«, sagte er. »Die bisherigen Erfolge der SOE sind

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