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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ihn.
    »Nein, danke – da schlafe ich sofort ein.«
    »Dann bitte ein Kännchen Kaffee«, beschied sie den Kellner. Als der Mann fort war, setzte sie sich neben Franck aufs Sofa und nahm seine Hand. »Ist alles nach Plan verlaufen?« »Ja. Rommel hat mir sogar Komplimente gemacht.« Er runzelte besorgt die Stirn. »Ich hoffe nur, dass ich halten kann, was ich ihm versprochen habe.«
    »Da bin ich ganz sicher, dass du das kannst.« Sie fragte nicht nach Einzelheiten, wohl wissend, dass er ihr ohnehin nur so viel sagen würde, wie er für richtig hielt. Er betrachtete sie liebevoll und überlegte, ob er ihr sagen sollte, was ihm gerade durch den Kopf ging. Gut möglich, dass es die angenehme Atmosphäre zerstörte – aber es musste einfach ausgesprochen werden. »Angenommen, die Invasion ist erfolgreich und die Alliierten erobern Frankreich zurück. Zwischen uns beiden wäre es dann aus, das weißt du.« Er seufzte.
    Wie von einem plötzlichen Schmerz ergriffen, zuckte Stephanie zusammen und ließ seine Hand los. »Meinst du?«
    Er wusste, dass ihr Ehemann zu Beginn des Krieges gefallen war und dass sie keine Kinder hatte. »Hast du eigentlich überhaupt keine Verwandten mehr?«, fragte er.
    »Meine Eltern sind schon vor Jahren gestorben. Aber ich habe noch eine Schwester. Sie lebt in Montreal.«
    »Vielleicht sollten wir uns mal überlegen, wie wir dich dort hin expedieren könnten.«
    Stephanie schüttelte energisch den Kopf. »Nein!«
    »Warum nicht?«
    Sie mied seinen Blick. »Ich wünsche mir nur, dass dieser Krieg so bald wie möglich vorbei ist«, stammelte sie.
    »Nein, das tust du nicht.«
    »Natürlich tu ich das!« Ein seltener Anflug von Gereiztheit lag in ihrer Stimme.
    »Ein ungewöhnlich konventioneller Gedanke für dich«, antwortete Franck mit spöttischem Unterton.
    »Du kannst doch Krieg unmöglich für eine tolle Sache halten!«
    »Ohne den Krieg wären wir beide nicht zusammen.«
    »Und all das Leiden?« »Ich bin Existenzialist. Der Krieg befähigt die Menschen, ihr ureigenes Wesen auszuleben: Die Sadisten werden zu Folterknechten, die Psychopathen entpuppen sich als tapfere Frontkämpfer, die Menschenschinder und die Opfer – alle bekommen die Chance, ihre Rollen bis zur Neige auszuschöpfen. Und die Huren sind permanent im Geschäft.«
    »Ein klares Wort, was meine Rolle betrifft«, erwiderte Stephanie erbost.
    Er streichelte ihre weiche Wange und berührte ihre Lippen mit der Spitze seines Zeigefingers. »Du bist eine Kurtisane – und eine sehr gute dazu.«
    Sie wandte den Kopf ab. »Das meinst du alles nicht ernst. Du extemporierst über ein Thema, genauso wie wenn du am Klavier sitzt.«
    Er lächelte und nickte. Ja, er spielte ein bisschen Jazz, sehr zu seines Vaters Empörung. Der Vergleich stimmte. Er gab keine festen Überzeugungen von sich, sondern jonglierte mit Ideen. »Vielleicht hast du Recht«, sagte er.
    Ihr Zorn verwandelte sich in Traurigkeit. »Die Bemerkung, dass wir uns trennen müssen, wenn die Deutschen aus Frankreich abziehen – war die ernst gemeint?«
    Er legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie zu sich herab. Stephanie entspannte sich und legte ihren Kopf auf seine Brust. Franck küsste ihren Scheitel und streichelte ihr Haar. »Nein, das wird nicht geschehen«, sagte er.
    »Bestimmt nicht?«
    »Mein Wort darauf.«
    Zum zweiten Mal an diesem Tag hatte er ein Versprechen gegeben, von dem er nicht mit Sicherheit wusste, ob er es würde halten können.
    Der Kellner kam mit dem Essen, und der Zauber war gebrochen. Die Müdigkeit war fast stärker als der Hunger, doch Franck überwand sich, aß ein paar Bissen und trank den gesamten Kaffee.
    Nachdem er sich gewaschen und rasiert hatte, fühlte er sich wieder besser. Er schlüpfte in ein sauberes Uniformhemd. Als er gerade dabei war, es zuzuknöpfen, klopfte Leutnant Hesse an die Tür. Franck gab Stephanie einen Abschiedskuss und ging.
    An einer gesperrten Straße wurde der Wagen umgeleitet – nach einem neuerlichen Bombenangriff in der vergangenen Nacht lag eine ganze Häuserzeile unweit des Bahnhofs in Schutt und Asche. Schließlich blieb die Stadt hinter ihnen zurück, und sie fuhren Richtung Sainte-Cecile.
    Franck hatte zu Rommel gesagt, nach dem Verhör der Gefangenen könne es vielleicht gelingen, der Resistance noch vor der Invasion einen entscheidenden Schlag zu versetzen, doch Rommel hatte, wie jeder militärische Befehlshaber, das Vielleicht als Versprechen interpretiert und erwartete nun entsprechende

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