Die Leopardin
Ergebnisse. Unglücklicherweise gab es keine Erfolgsgarantie bei Verhören. Schlaue Gefangene erzählten Lügen, die nicht überprüfbar waren. Manchen gelang es mit großem Einfallsreichtum, sich selbst umzubringen, bevor die Folterqualen unerträglich wurden. Und wenn die Sicherheitsvorkehrungen in der entsprechenden Resistance-Gruppe wasserdicht waren, dann wussten die einzelnen Mitglieder nur das Allernotwendigste von ihren Mitkämpfern und auch sonst kaum etwas Brauchbares. Im schlimmsten Fall hatten die perfiden Alliierten sie mit Fehlinformationen gefüttert, sodass das, was sie aussagten, wenn sie schließlich unter der Folter zusammenbrachen, nichts Verwertbares ergab, da es nur Teil eines groß angelegten Täuschungsmanövers war.
Franck stimmte sich auf das Kommende ein. Er musste absolut hartherzig und berechnend handeln. Das körperliche und seelische Leid, das er in Kürze anderen Menschen antun würde, durfte ihn in keiner Weise persönlich berühren. Der Zweck heiligte die Mittel – alles andere zählte nicht. Er schloss die Augen und spürte, wie ihn eine tiefe innere Ruhe überkam, eine vertraute, Mark und Bein durchdringende Kälte, die ihm manchmal vorkam wie die Kälte des Todes selbst.
Der Wagen rollte auf das Schlossgelände. Arbeiter ersetzten die zersprungenen Fensterscheiben und besserten die durch Granateneinschläge entstandenen Mauerlöcher aus. In der prunkvollen Eingangshalle murmelten die Telefonistinnen unablässig in ihre Mikrofone, ein summender Unterton, der den ganzen Raum erfüllte. Gefolgt von Leutnant Hesse durchschritt Major Franck die perfekt proportionierten Zimmerfluchten des Ostflügels und stieg dann die Treppe in das besonders befestigte Kellergeschoss hinunter. Der Wachtposten an der Tür salutierte und machte keine Anstalten, Franck, der Uniform trug, anzuhalten. Die Tür mit der Aufschrift Verhörzentrale war rasch gefunden, und Franck trat ein.
Im vorderen Zimmer saß Willi Weber am Schreibtisch. »Heil Hitler!«, brüllte Franck, reckte den Arm und zwang damit Weber, sich zu erheben. Franck rückte sich einen Stuhl zurecht, setzte sich und sagte: »So nehmen Sie doch bitte Platz, Herr Sturmbannführer.«
Weber schäumte. Dass man ihm in seinem eigenen Hauptquartier huldvoll einen Platz anbot, ging zu weit – aber er konnte nichts dagegen tun.
»Wie viele Gefangene haben wir?«, wollte Franck wissen.
»Drei.«
Franck war enttäuscht. »Nur so wenige?«
»Wir haben acht Feinde im Gefecht getötet. Zwei andere sind über Nacht ihren Verletzungen erlegen.«
Dieter Franck schnaubte vor Verzweiflung. Er hatte ausdrücklich befohlen, die Verwundeten am Leben zu erhalten. Aber es war sinnlos, Weber jetzt noch zu fragen, wie die Leute behandelt worden waren.
»Zwei sind, glaube ich, entkommen«, fuhr Weber fort.
»Ja«, bestätigte Franck. »Die Frau auf dem Platz und der Mann, den sie fortgeschleppt hat.«
»Genau. Von fünfzehn Angreifern sind uns immerhin drei als Gefangene übrig geblieben.«
»Wo befinden sie sich?«
Weber sah ihn verschlagen an: »Zwei sind in den Zellen.«
Franck kniff die Brauen zusammen. »Und der dritte?«
Mit einer Kopfbewegung wies Weber auf den Nebenraum. »Die dritte wird gerade verhört.«
Franck erhob sich, ging zur Tür und öffnete sie. Er konnte sich denken, was hier gespielt wurde. Die gedrungene Gestalt von Wachtmeister Becker stand gleich hinter der Tür. Der Mann schwitzte und schnaufte wie nach hartem körperlichem Training. In der Hand hielt er einen Holzknüppel, der wie ein großer Polizei-Schlagstock aussah. Sein Blick war auf die Gefangene gerichtet, die an einen Pfosten gebunden war.
Franck fand alle seine Befürchtungen bestätigt. Trotz seiner selbst auferlegten Ruhe verzog er das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse. Die Gefangene war Genevieve Delys, die junge Frau, die unter ihrem Mantel eine Sten-MP verborgen hatte. Sie war nackt. Die Fesseln, mit denen man sie an den Pfosten gebunden hatte, verliefen unter ihren Armen durch und verhinderten, dass der Körper unter seinem eigenen Gewicht zusammensackte. Ihr Gesicht war so verschwollen, dass sie die Augen nicht mehr öffnen konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. Aus ihrem Mund lief Blut und bedeckte das Kinn sowie den größten Teil ihrer Brust. Ihr Körper war übersät mit bösen Prellungen, die sich bereits verfärbt hatten. Der linke Arm baumelte in einem merkwürdigen Winkel herab; er war offenbar aus dem Schultergelenk gekugelt worden. Das
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