Die Leopardin
ab.
Flick schüttelte gereizt den Kopf. »Du bist ein bisschen stur, Mama.«
»Ich darf dann wohl davon ausgehen, dass du diese Eigenschaft von mir hast.«
Flick musste lächeln. Wie oft hatte man ihr schon Sturheit vorgeworfen! Wie ein Maulesel!, pflegte Percy Thwaite zu sagen. Sie versuchte einzulenken. »Ich sehe ja ein, dass du deine Gefühle nicht so ohne weiteres verdrängen kannst. Davon abgesehen, werde ich mich hüten, mit dir einen Streit anzufangen – schon gar nicht nach einem so tollen Frühstück.« An ihrem Ehrgeiz, die beiden wieder miteinander zu versöhnen, änderte sich deshalb gar nichts.
Aber es musste ja nicht unbedingt heute sein. Sie stand auf.
Mrs. Riley lächelte. »Es ist schön, dich zu sehen. Aber ich mache mir ständig Sorgen um dich.«
»Ich bin noch aus einem anderen Grund gekommen. Ich muss mit Diana reden.«
»Wozu denn das?«
»Kann ich nicht sagen.«
»Ich hoffe, du hast nicht vor, sie mit dir nach Frankreich zu nehmen.«
»Pssst, Mama! Wer hat denn hier was von Frankreich gesagt?«
»Ich denk mir ‘s halt. Sie kann doch so gut schießen.«
»Ich kann dir nichts Näheres sagen.«
»Die bringt dir noch den Tod! Sie hat von Disziplin keine Ahnung – woher sollte sie auch? Sie ist dazu nicht erzogen worden und kann natürlich nichts dafür. Aber du wärst eine Närrin, wolltest du dich auf sie verlassen.«
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Flick ungeduldig. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und war nicht bereit, sie in Gegenwart ihrer Mutter noch einmal in Frage zu stellen.
»Diana hat schon mehrere Kriegsjobs gehabt und ist jedes Mal wieder entlassen worden.«
»Das weiß ich auch.« Aber Diana war eine glänzende Schützin, und Flick blieb keine Zeit, wählerisch zu sein. Sie musste nehmen, wen sie kriegte. Ihre Hauptsorge war, dass Diana nein sagen könnte. Zu verdeckten Einsätzen für den Geheimdienst konnte niemand gezwungen werden; es wurden ausschließlich Freiwillige akzeptiert. »Wo ist sie denn gerade? Weißt du das?«
»Ich glaube, draußen im Wald«, erwiderte Mrs. Riley. »Sie ist schon ganz früh hinaus, Kaninchen jagen.«
»Natürlich.« Diana liebte die blutrünstigen Sportarten: die Fuchsjagd, die Pirsch auf Rotwild, die Hasenhatz und die Moorhuhnjagd, sogar das Fischen. Wenn’s sonst nichts zu tun gab, jagte sie Kaninchen.
»Du brauchst nur dem Geräusch der Schüsse zu folgen.«
Flick küsste ihre Mutter auf die Wange. »Vielen Dank für das Frühstück.« Sie ging zur Tür.
»Und pass auf, dass du ihr nicht direkt vor die Flinte läufst!«, rief Mrs. Riley ihr nach.
Flick verließ das Haus durch den Dienstboteneingang, durchquerte den Küchengarten und verschwand hinter dem Haus im Wald. Die Bäume strahlten im Glanz des jungen Laubes, und die Brennnesseln standen schon hüfthoch. In ihren schweren Motorradstiefeln und Lederhosen stapfte Flick durchs Unterholz. Am ehesten, überlegte sie, lässt sich Diana wohl verlocken, wenn ich den Einsatz als eine große Herausforderung darstelle.
Als sie ungefähr vierhundert Meter gegangen war, hörte Flick einen Gewehrschuss. Sie blieb stehen, lauschte und rief: »Diana!« Niemand antwortete.
Flick schlug die Richtung ein, aus der der Knall gekommen war, und rief ungefähr jede Minute einmal Dianas Namen.
Endlich hörte sie ihre Stimme: »Hier bin ich, du idiotisches Trampeltier, wer immer du bist!«
»Bin gleich bei dir! Nimm die Flinte runter!«
Diana saß auf einer Lichtung, den Rücken an eine Eiche gelehnt, und rauchte eine Zigarette. Ein Jagdgewehr lag quer über ihren Knien. Es war aufgeklappt und sollte offenbar neu geladen werden. Um sie herum lag die Strecke – ein halbes Dutzend toter Kaninchen.
»Ach, du bist das!«, sagte sie. »Du hast mir das ganze Wild vergrault.«
»Die Viecher kommen morgen wieder.« Flick musterte ihre Jugendfreundin. Diana war ein hübsches, wenn auch eher jungenhaftes Mädchen. Ihr dunkles Haar war kurz geschnitten und ihre Nase mit Sommersprossen übersät. Sie trug einen Jagdrock und Kordhosen. »Wie geht’s dir, Diana?«
»Bis auf die Knochen gelangweilt, frustriert und deprimiert. Ansonsten blendend.«
Flick setzte sich neben ihr ins Gras. Das ließ sich leichter an als befürchtet. »Wo brennt’s denn?«
»Ich vergammle hier in der englischen Provinz, während mein Bruder Italien erobert.«
»Wie geht’s ihm?«
»William geht’s gut. Er kämpft für unser Land, und mir gibt keiner was Vernünftiges zu tun.«
»Da kann ich dir
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