Die Leopardin
sagte sie. »Das sehe ich. Aber wie geht es deinem hübschen Ehemann?«
»Michel lebt«, sagte Flick und setzte sich an den Küchentisch. Der Geruch des bratenden Specks ließ ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen.
»Er lebt? Aber es geht ihm offenbar nicht gut. Ist er verwundet?«
»Er hat eine Kugel in den Hintern gekriegt. Aber die bringt ihn nicht um.«
»Dann habt ihr euch also kürzlich gesehen, oder?«
Flick lachte. »Hör auf, Mama! Ich darf doch nicht darüber sprechen!«
»Natürlich nicht. Und sag mal – falls das nicht auch ein militärisches Geheimnis ist –, lässt er denn seine Pfoten von anderen Frauen?«
Der treffsichere Instinkt ihrer Mutter verblüffte Flick immer wieder von neuem. Es war geradezu unheimlich. »Ich hoffs wenigstens.«
»Hmm. Hast du eine bestimmte Person im Auge?«
Flick vermied eine direkte Antwort. »Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, Mama, dass Männer es manchmal gar nicht merken, wenn ein Mädchen strohdumm ist?«
Mrs. Riley räusperte sich empört. »So läuft das also! Wahrscheinlich ist sie hübsch, wie?«
»Mmm.«
»Jung?«
»Neunzehn.«
»Hast du ihn zur Rede gestellt?
»Ja. Er hat mir versprochen, mit ihr Schluss zu machen.« »Vielleicht hält er sich dran. Vorausgesetzt, du bleibst nicht zu lange fort.«
»Sieht ganz so aus.«
Die Besorgnis war ihrer Mutter anzusehen. »Dann gehst du also wieder rüber?«
»Kann ich dir nicht sagen.«
»Hast du denn nicht schon genug getan?«
»Noch haben wir den Krieg nicht gewonnen. Also hat’s offenbar noch nicht gereicht.«
Mrs. Riley setzte einen Teller mit Eiern und Speck auf den Tisch. Es handelte sich vermutlich um eine ganze Wochenration. Flick wollte protestieren, verkniff es sich dann aber. Besser war es, das Geschenk dankbar anzunehmen – und außerdem hatte sie plötzlich einen Bärenhunger. »Danke, Mama«, sagte sie. »Du verwöhnst mich.«
Ihre Mutter lächelte zufrieden, und Flick schaufelte das Essen in sich hinein. Unglaublich, dachte sie, Mama hat wieder einmal mühelos alles aus mir herausbekommen, was sie wissen wollte. Obwohl ich gar nicht die Absicht hatte, mich ausfragen zu lassen. »Du solltest eigentlich für die Militärspionage arbeiten, Mama«, sagte sie mit einem Mund voller Spiegelei. »Sie könnten dich als Verhörspezialistin einsetzen. Du hättest mich in null Komma nichts so weit, dass ich alles ausplaudern würde.«
»Ich bin deine Mutter und habe ein Recht darauf, zu wissen, was los ist.«
Im Grunde war es egal. Mama würde niemandem etwas weitererzählen.
Mrs. Riley nippte an ihrer Teetasse und sah Flick beim Essen zu. »Du musst diesen Krieg natürlich ganz allein gewinnen«, sagte sie mit einem Anflug von liebevollem Sarkasmus. »Aber das war schon immer so. Schon als Kind ging dir deine Unabhängigkeit über alles.« »Ich weiß auch nicht, warum. Man hat sich doch immer um mich gekümmert. Wenn du keine Zeit hattest, schwirrten ein halbes Dutzend Hausmädchen um mich rum.«
»Ich glaube, ich habe deinen Drang zur Selbstständigkeit immer gefördert, weil du keinen Vater hattest. Immer wenn du von mir etwas wolltest – zum Beispiel, dass ich dir die Fahrradkette repariere oder einen Knopf annähe –, habe ich zu dir gesagt: ›Versuch es erst einmal selber. Wenn du es nicht schaffst, helfe ich dir.‹ In neun von zehn Fällen habe ich dann nichts mehr von der Sache gehört.«
Flick hatte den Teller leer gegessen und stippte ihn nun mit einer Scheibe Brot sauber. »Meistens hat Mark mir geholfen«, sagte sie. Mark war ihr Bruder, ein Jahr älter als sie.
Die Züge ihrer Mutter erstarrten. »Ach, so war das.«
Flick unterdrückte einen Seufzer. Vor zwei Jahren hatten Mark und Mama sich fürchterlich zerstritten. Mark arbeitete als Inspizient an einem Theater und lebte mit einem Schauspieler namens Steve zusammen. Mrs. Riley hatte schon seit langem gewusst, dass Mark »nicht zum Heiraten geschaffen ist«, wie sie es ausdrückte. Doch dann war Mark so töricht gewesen, ihr in einem Anfall irregeleiteter Ehrlichkeit ins Gesicht zu sagen, dass er Steve liebte und mit ihm zusammenlebte wie Mann und Frau. Das hatte ihm seine Mutter zutiefst übel genommen, und seitdem hatte sie kein Wort mehr mit ihrem Sohn gewechselt.
»Mark liebt dich, Mama«, sagte Flick.
»Ach ja, so plötzlich?«
»Es würde mich freuen, wenn du dich mal mit ihm treffen würdest.«
»Das kann ich mir denken.« Mrs. Riley nahm Flicks leeren Teller vom Tisch und wusch ihn in der Spüle
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