Die Leopardin
ihm gut. Er war erregt, optimistisch, zuversichtlich. Das blutrünstige Verhör am Tag zuvor hatte ihm eine heiße Spur geliefert. Die Frau mit dem Decknamen Bourgeoise und ihr Haus in der Rue du Bois konnten ihn ins Zentrum der französischen Widerstandsbewegung führen. Oder aber ins Nichts.
Er trank einen Liter Wasser, nahm drei Aspirin gegen den Morphiumkater und griff dann zum Telefonhörer.
Zuerst rief er Leutnant Hesse an, der im gleichen Hotel wohnte, wenn auch in einem weniger feudalen Zimmer. »Guten Morgen, Hesse, haben Sie gut geschlafen?«
»Ja, danke, Herr Major. Ich war bereits im Rathaus und habe die Adresse in der Rue du Bois überprüft.«
»Gut gemacht«, sagte Franck. »Und was haben Sie herausgefunden?«
»Eigentümerin und einzige Bewohnerin ist eine gewisse Mademoiselle Lemas.«
»Aber es könnten sich noch andere Personen dort aufhalten.«
»Ich bin dran vorbeigefahren, nur um mir das Haus mal anzusehen. Es war dort alles still.«
»Seien Sie in einer Stunde abfahrbereit. Mit meinem Wagen.«
»Zu Befehl, Herr Major.«
»Und noch eines, Hesse: Sehr gut. Die Eigeninitiative, die Sie entwickelt haben.«
»Danke, Herr Major.«
Dieter Franck legte auf. Was diese Mademoiselle Lemas wohl für eine Frau war? Lefevre hatte ausgesagt, dass niemand aus der Bollinger-Gruppe sie je gesehen hätte, und Franck glaubte ihm das. Es war ein »sicheres Haus«. Neu eintreffende Agenten wussten lediglich, wo sie mit dieser Frau Kontakt aufnehmen konnten, sonst nichts. Wurden sie erwischt, konnten sie keine Auskunft über die Resistance geben, jedenfalls theoretisch nicht. Aber so etwas wie perfekte Sicherheit gab es bekanntlich nicht.
Mademoiselle Lemas war vermutlich unverheiratet. Sie konnte eine junge Frau sein, die das Haus von ihren Eltern geerbt hatte, aber auch ein Fräulein mittleren Alters, das immer noch auf der Suche nach einem Ehemann war, vielleicht auch eine alte Jungfer.
Er ging wieder ins Schlafzimmer zurück. Stephanie hatte ihr üppiges rotes Haar gebürstet und saß nun aufrecht im Bett, die Brüste frei über der gerafften Decke. Sie wusste genau, wie sie es anstellen musste, um verführerisch zu wirken. Aber Franck widerstand der Verlockung, wieder zu ihr ins Bett zu schlüpfen, und fragte sie stattdessen: »Würdest du mir einen Gefallen tun?«
»Ich würde alles für dich tun.«
»Alles?« Er setzte sich aufs Bett und berührte ihre nackte Schulter. »Würdest du auch zuschauen, wenn ich mit einer anderen Frau zusammen bin?«
»Aber sicher. Ich würde ihr sogar die Titten lecken, während du sie vögelst.«
»Das sieht dir ähnlich!« Dieter Franck lachte vergnügt auf. Er hatte schon einige Geliebte gehabt – aber so eine wie Stephanie noch nicht. »Doch darum geht’s leider nicht. Ich hätte dich gerne dabei, wenn ich eine Frau aus der Resistance verhafte.«
»Gut«, sagte sie leise. »Einverstanden.« Ihre Miene verriet keinerlei Gemütsbewegung.
Es reizte ihn, sie zu einer Reaktion zu drängen; sie zu fragen, was sie davon hielt und ob sie wirklich gern mitging, doch er entschloss sich, sie einfach beim Wort zu nehmen. »Danke«, sagte er und ging wieder ins Wohnzimmer zurück.
Schon möglich, dass Mademoiselle Lemas allein war. Andererseits ließ sich auch nicht ausschließen, dass es in dem Haus vor alliierten Agenten nur so wimmelte, die allesamt bis auf die Zähne bewaffnet waren. Franck entschied sich, Verstärkung zu organisieren. Er warf einen Blick in sein Notizbuch und nannte der Dame in der Vermittlung die Telefonnummer von Rommel in La Roche- Guyon.
Als die Deutschen Frankreich besetzt hatten, war das französische Telefonsystem völlig überlastet gewesen. Seither hatten sie dessen technische Ausrüstung durch die Verlegung Tausender von Kilometern neuer Leitungen und die Einrichtung automatisierter Vermittlungszentralen verbessert. Überlastet war das System zwar immer noch, aber es funktionierte auf jeden Fall besser als vorher.
Franck verlangte Rommels Adjutanten, Major Goedel, zu sprechen und vernahm Sekunden später die vertraute kalte und präzise Stimme: »Goedel.«
»Hier ist Dieter Franck«, sagte er. »Wie geht’s, Walter?«
»Viel zu tun«, erwiderte Goedel spröde. »Was gibt’s?«
»Ich mache hier große Fortschritte. Einzelheiten möchte ich keine nennen, weil ich vom Hotel aus spreche, aber ich stehe kurz vor der Verhaftung von zumindest einem Spion. Vielleicht sind es aber auch mehrere. Ich dachte, das könnte den
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