Die Leopardin
ich dir jetzt nicht erzählen.«
»Wieder so ‘ne Geheimniskrämerei, was?«
Flick lächelte zustimmend. Dann seufzte sie, weil ihr das ungelöste Problem wieder einfiel. »Du kennst nicht zufällig eine Fernmeldetechnikerin, die Französisch spricht, oder?«
Mark blieb stehen. »Doch«, sagte er, »doch. So was in der Art.«
Mademoiselle Lemas litt Höllenqualen. Steif saß sie auf dem harten Stuhl mit der geraden Lehne vor dem kleinen Tisch. Ihre Gesichtszüge waren vor lauter Selbstbeherrschung zur Maske erstarrt. Sie wagte es nicht, sich zu bewegen. Noch immer trug sie ihren Topfhut. Sie umklammerte die robuste Lederhandtasche, die sie auf ihrem Schoß hielt, und ihre kleinen feisten Hände verkrampften sich im immer gleichen Rhythmus um den Bügel. Kein Ring zierte ihre Finger. Der einzige Schmuck, den sie trug, war ein kleines silbernes Kreuz an einer Kette.
Um sie herum machten einige Büroangestellte und Sekretärinnen in ihren sorgfältig gebügelten Uniformen Überstunden, hefteten Akten ab und tippten auf ihren Schreibmaschinen. Sie hielten sich an Major Francks Befehl, lächelten Mademoiselle höflich an, wenn ihre Blicke sich trafen, und ab und zu sprach eines der Mädchen sie an und fragte, ob sie ihr noch etwas Wasser oder Kaffee bringen dürfe.
Franck saß auf seinem Stuhl und beobachtete sie. Neben ihm saßen auf der einen Seite Leutnant Hesse und auf der anderen Stephanie. Hans Hesse war der Prototyp des stämmigen deutschen Arbeiters, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. Mit stoischer Gelassenheit betrachtete er die Szenerie: Er hatte schon viele Folterungen miterlebt. Stephanie war leichter aus der Fassung zu bringen, wahrte aber ihre Selbstbeherrschung. Ihr war sichtlich unwohl in ihrer Haut, doch sie sagte nichts: Ihr Lebensziel bestand darin, Dieter bei Laune zu halten.
Franck wusste, dass Mademoiselle Lemas nicht nur körperlich litt. Schlimmer noch als ihre zum Bersten gefüllte Blase war die entsetzliche Vorstellung, sich in einem Raum voller höflicher, gut angezogener Menschen, die ihren üblichen beruflichen Pflichten nachgingen, zu besudeln – schlichtweg der grässlichste aller denkbaren Albträume für eine ältere Dame aus gutem Hause. Franck bewunderte ihre Tapferkeit und fragte sich, ob sie überhaupt zusammenbrechen und ihm seine Fragen beantworten würde oder aber bis zum bitteren Ende durchhalten wollte.
Ein junger Unteroffizier schlug neben Franck die Hacken zusammen und sagte: »Melde gehorsamst, Herr Major, Sturmbannführer Weber bittet Sie, in sein Büro zu kommen.«
Franck überlegte, ob er den jungen Mann mit einer Antwort wie: Wenn er mit mir reden will, kann er sich gefälligst zu mir bemühen, zurückschicken sollte, kam aber zu dem Schluss, dass nichts gewonnen war, wenn er auf Konfliktkurs ging, bevor es unbedingt notwendig wurde. Es war sogar möglich, dass Weber kooperativer wurde, wenn man ihm vorher erlaubte, ein bisschen aufzutrumpfen. »Aber selbstverständlich«, sagte er, erhob sich und wandte sich, bevor er ging, an den Leutnant: »Sie wissen, was Sie fragen müssen, wenn sie so weit ist, Hesse?«
»Jawohl, Herr Major.«
»Falls es zu lange dauert. Stephanie, wärest du so gut, mir aus dem Cafe des Sports eine Flasche Bier und ein Glas zu holen?«
»Ja, natürlich.« Sie schien heilfroh zu sein, dass sie endlich einen Anlass hatte, das Zimmer zu verlassen.
Franck folgte dem Unteroffizier zu Willi Webers Büro. Es war ein großer Raum auf der Vorderseite des Schlosses, dessen drei hohe Fenster auf den Platz hinaussahen. Über der Stadt ging allmählich die Sonne unter, und ihre schrägen Strahlen beleuchteten die Rundbögen und Strebepfeiler der mittelalterlichen Kirche. Franck sah Stephanie auf ihren hochhackigen Schuhen den Platz überqueren. Sie schritt einher wie ein Rennpferd, elegant und kraftvoll gleichermaßen.
Auf dem Platz waren einige Soldaten damit beschäftigt, drei stämmige Holzpfähle in regelmäßigen Abständen nebeneinander aufzurichten. Franck runzelte die Stirn. »Ein Erschießungskommando?«, fragte er.
»Jawohl«, antwortete Weber. »Für die drei überlebenden Partisanen vom vergangenen Sonntag. Ich gehe davon aus, dass Sie die Verhöre abgeschlossen haben.«
Franck nickte. »Sie haben mir alles gesagt, was sie wissen.«
»Wir werden sie öffentlich erschießen – zur Abschreckung für alle diejenigen, die mit dem Gedanken spielen, mit der Resistance gemeinsame Sache zu machen.«
»Gute Idee«, sagte
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