Die Leopardin
für den Kriegsverlauf.«
»Komm, trag nicht so dick auf, Percy«, antwortete Jelly, aber die saloppe Bemerkung wirkte aufgesetzt. Ihre Miene war ernst.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, nein, ich übertreibe nicht. Ob wir den Krieg gewinnen oder verlieren, kann von dir abhängen.«
Sie starrte ihn wortlos an. Ihr Gesicht verzog sich und spiegelte den Konflikt wider, der in ihr tobte.
»Und du bist der einzige Mensch in diesem Land, der diese Sache in die Hand nehmen kann«, fügte Thwaite hinzu.
»Red doch keinen Blödsinn«, sagte sie misstrauisch.
»Du bist eine Frau, die mit Sprengstoff umgehen kann, und du sprichst Französisch. Was meinst du, wie viele von deiner Sorte es hierzulande noch gibt? Ich sag’s dir: keine Einzige.«
»Meinst du das ernst?«
»Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so ernst.«
»Verdammte Kacke, Percy!« Jelly verstummte, und Flick hielt den Atem an. Nach einer langen, langen Pause sagte Jelly: »Okay, du Schweinehund. Ich mach mit.«
Flick war so begeistert, dass sie Jelly spontan einen Kuss verpasste.
»Gott segne dich, Jelly«, sagte Percy.
»Wann geht’s los?«, fragte Jelly.
»Sofort«, sagte Thwaite. »Sobald du deinen Gin ausgetrunken hast, bringe ich dich nach Hause, und du packst deinen Koffer. Danach fahre ich dich in unser Ausbildungszentrum.«
»Was? Heute Abend noch?«
»Ich hab dir doch gesagt, dass es um die Wurst geht.«
Jelly schluckte den letzten Rest Gin in ihrem Glas hinunter. »Also gut, ich bin so weit.«
Sie ließ ihr breites Gesäß vom Barhocker heruntergleiten, und Flick dachte: Ich frag mich, wie die den Absprung mit dem Fallschirm bewältigen will.
Zu dritt verließen sie die Kneipe. Percy sagte zu Flick: »Du nimmst die U-Bahn zurück, geht das klar?«
»Natürlich.«
»Dann treffen wir uns morgen früh im Mädchenpensionat.«
»Ich werde pünktlich da sein«, antwortete Flick und ging davon.
Auf dem Weg zur nächsten U-Bahn-Station geriet sie fast in Euphorie. Es war ein milder Frühsommerabend, und im East End wimmelte es von Menschen. Eine Gruppe von halbwüchsigen Jungen mit verdreckten Gesichtern spielte mit Stöcken und einem abgewetzten Tennisball Kricket; ein müder Mann in schmutziger Arbeitskluft schlurfte zu einem späten Abendbrot nach Hause. Ein Soldat in Uniform hatte Ausgang. Mit einem Päckchen Zigaretten und ein bisschen Kleingeld in der Tasche stolzierte er übers Pflaster und trug eine Miene zur Schau, als warteten alle Vergnügungen dieser Welt nur darauf, dass er sie beim Schopfe packte. Drei hübsche junge Mädchen in ärmellosen Kleidern und mit Strohhüten auf dem Kopf kicherten bei seinem Anblick. Das Schicksal aller dieser Menschen, dachte Flick ernüchtert, wird sich in den nächsten Tagen entscheiden.
In der U-Bahn Richtung Bayswater trübte sich ihre Stimmung weiter ein. Das wichtigste Mitglied des Einsatzkommandos fehlte noch immer – die Fernmeldetechnikerin. Ohne sie konnte es leicht passieren, dass Jelly die Sprengsätze an der falschen Stelle anbrachte. Sie würden zwar auch Schaden anrichten, doch dann hätten die Deutschen binnen ein, zwei Tagen die Anlage schon wieder repariert. Das lohnte im Grunde weder den enormen Aufwand noch die Gefahr für Leib und Leben der Beteiligten.
Als Flick in ihre Dachstube kam, wartete dort ihr Bruder Mark auf sie. Sie umarmte und küsste ihn. »Was für eine nette Überraschung!«
»Ich hab heute Abend frei und dachte, ich könnte dich vielleicht auf einen Drink einladen«, sagte Mark.
»Wo ist Steve?«
»Spielt den Jago vor den Soldaten in Lyme Regis. Wir arbeiten jetzt überwiegend für die ENSA.« Die ENSA – für Entertainments National Service Association – organisierte Theatervorstellungen für die Truppen. »Wo gehen wir hin?«
Flick war müde, und am liebsten hätte sie Marks Einladung rundweg abgelehnt. Aber dann fiel ihr ein, dass sie am Freitag wieder nach Frankreich fliegen und ihren Bruder möglicherweise nie wieder sehen würde. Daher sagte sie: »Wie wär’s mit dem West End?« »Gehen wir in einen Nachtclub!«
»Einverstanden.«
Sie verließen das Haus und schlenderten Arm in Arm die Straße entlang. »Ich habe heute Morgen Mutter besucht«, sagte Flick.
»Wie geht’s ihr?«
»Gut. Aber was dich und Steve betrifft, hat sie ihre Meinung leider immer noch nicht geändert.«
»Das habe ich auch nicht erwartet. Warum warst du bei ihr?«
»Ich musste aus einem anderen Grund nach Somersholme. Das ist eine lange Geschichte, die kann
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