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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gewünschten Informationen vorzuenthalten, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen. Und da Franck nach wie vor auf Webers Hilfe angewiesen war, blieb ihm nichts anderes übrig, als dessen Frage zu beantworten. »In der Krypta der Kathedrale, jeweils nachmittags um drei.«
    »Ich werde Paris darüber in Kenntnis setzen.«
    Weber entfernte sich, und Franck wandte sich wieder der Planung seiner nächsten Schritte zu. Das Haus in der Rue du Bois war ein »sicheres Haus«. Kein einziges Mitglied der Bollinger-Gruppe hatte Mademoiselle Lemas jemals gesehen. Agenten, die aus London eingeflogen wurden, wussten nicht, wie sie aussah – deshalb brauchten sie ja Erkennungszeichen und Parolen. Vielleicht ließ sich jemand auftreiben, der als Mademoiselle Lemas auftreten konnte. nur wer?
    Stephanie kam mit der Gefangenen aus der Damentoilette.
    Sie konnte es!
    Stephanie war natürlich viel jünger als Mademoiselle Lemas und sah auch völlig anders aus, aber das war den Spionen ja nicht bekannt. Sie war unverkennbar Französin. Alles, was sie zu tun hatte, war, sich einen oder zwei Tage um die Agenten zu kümmern.
    Er nahm Stephanie am Arm. »Leutnant Hesse wird jetzt die Gefangene übernehmen. Komm, ich lade dich zu einem Glas Champagner ein.«
    Er führte sie aus dem Schloss hinaus. Die Soldaten auf dem Platz waren mit ihrer Arbeit fertig. Die drei Pfähle warfen lange Schatten im Abendlicht. Eine Hand voll Einheimischer stand vor dem Kirchenportal und beobachtete die Vorgänge schweigend und aufmerksam.
    Franck geleitete Stephanie in das Cafe gegenüber und bestellte eine Flasche Champagner. »Ich danke dir für deine Hilfe«, sagte er. »Ich weiß sie sehr zu schätzen.«
    »Ich liebe dich«, sagte Stephanie. »Und du liebst mich auch, obwohl du es nie aussprichst.«
    »Was denkst du dir eigentlich bei solchen Dingen wie heute? Du bist Französin, hast eine Großmutter, deren Rasse wir nicht erwähnen dürfen, und bist, soweit mir bekannt, keine Nationalsozialistin.«
    Stephanie schüttelte heftig den Kopf. »Ich glaube nicht mehr an Nationalität, Rasse oder Politik«, erklärte sie leidenschaftlich. »Als mich die Gestapo verhaftete, gab es keinen einzigen Franzosen, der mir geholfen hätte. Kein Jude half mir, kein Sozialist, kein Liberaler, kein Kommunist. Niemand. Und es war so kalt in diesem Gefängnis.« Ihre Miene veränderte sich. Das verführerische feine Lächeln, das sonst fast stets auf ihren Lippen lag, verschwand ebenso wie das spöttischlockende Funkeln in ihren Augen. Sie fühlte sich plötzlich versetzt an einen anderen Ort, in eine andere Zeit, verschränkte die Arme und erschauderte, dem warmen Frühsommerabend zum Trotz. »Nicht nur äußerlich kalt«, fuhr sie fort. »Ich habe die Kälte nicht nur auf der Haut, sondern auch in meinem Herzen gespürt, in meinen Eingeweiden, meinen Knochen. Ich hatte das Gefühl, dass mir niemals wieder warm würde, als sollte ich kalt zu Grabe fahren.« Sie schwieg, und ihr Gesicht sah fahl aus, von Kummer gezeichnet. Dieter Franck spürte in diesem Augenblick, wie grässlich der Krieg, jeder Krieg, doch war. Nach einer längeren Pause fuhr Stephanie fort: »Ich werde niemals das Feuer in deiner Wohnung vergessen. Das Kohlenfeuer. Ich wusste damals nicht mehr, wie sich diese prasselnde Wärme anfühlt. Sie hat mich wieder zu einem Menschen gemacht.« Sie erwachte aus ihrer Trance. »Du hast mich gerettet. Du hast mir zu essen gegeben, du hast mir Wein zu trinken gegeben, du hast mir neue Kleider gekauft.« Sie lächelte, und es war wieder ihr altes Lächeln, das so viel besagte wie: Du darfst, wenn du dich traust... »Und du hast mich vor diesem Feuer geliebt.«
    Er nahm ihre Hand. »Das war nicht schwer.«
    »Du schenkst mir Geborgenheit in einer Welt, in der es kaum noch Geborgenheit gibt. Deshalb glaube ich inzwischen nur noch an dich.«
    »Wenn das dein Ernst ist. «
    »Selbstverständlich ist das mein Ernst.«
    »Da wäre noch etwas, was du vielleicht für mich tun könntest.«
    »Ich tue alles für dich.«
    »Ich möchte, dass du Mademoiselle Lemas spielst.«
    Stephanie zog eine perfekt gezupfte Braue hoch.
    »Dass du dich für sie ausgibst, ja. Dass du jeden Nachmittag um drei in die Krypta der Kathedrale gehst. Zieh dir einen schwarzen und einen braunen Schuh an. Wenn jemand zu dir kommt und sagt: ›Beten Sie für mich‹, dann antwortest du: ›Ich bete für den Frieden.‹
    Danach bringst du die betreffende Person in das Haus in der Rue du Bois und rufst mich

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