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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Kaffeekännchen für eine Person erwartet hätte, fanden sie große Schmortöpfe und Schüsseln sowie einen Sack Reis, von dem sich Mademoiselle Lemas ein ganzes Jahr lang hätte ernähren können. Der Wein im Keller war billiger vin ordinaire, doch fand sich auch eine halb volle Kiste mit gutem schottischem Whisky. In der Garage neben dem Haus stand ein kleiner Simca Cinq aus der Vorkriegszeit, die französische Version jenes Fiat-Modells, das die Italiener Topolino nannten. Der Wagen war in gutem Zustand, der Tank randvoll. Als Franck den Anlasser betätigte, sprang der Motor sofort an. Es war ausgeschlossen, dass die Behörden Mademoiselle Lemas die Erlaubnis zum Erwerb streng rationierten Benzins und kaum noch aufzutreibender Ersatzteile gegeben hatten, nur um ihr Einkaufsfahrten zu ermöglichen. Der Schluss lag nahe, dass das Fahrzeug von der Resistance betankt und gewartet wurde. Franck fragte sich, mit welcher Ausrede die Besitzerin begründet hatte, dass sie nach wie vor herumfahren konnte. Vielleicht behauptete sie, als Hebamme tätig zu sein. »Die Alte war gut organisiert«, sagte er.
    Stephanie bereitete ein Mittagessen zu. Sie hatten unterwegs eingekauft. Fleisch oder Fisch hatte es nirgends gegeben, aber sie hatten Champignons und Kopfsalat bekommen sowie einen Laib pain noir, jenes Brot, das die französischen Bäcker aus dem dürftigen Gemisch aus Mehl und Kleie buken, das ihnen allein noch zur Verfügung stand. Stephanie bereitete den Salat zu und verwendete die Champignons zu einem Risotto. Zum Magenschluss fand sich in der Speisekammer noch etwas Käse. Die Krümel auf dem Esszimmertisch und das schmutzige Geschirr in der Spüle trugen dazu bei, dass das Haus schon bald etwas bewohnter aussah.
    »Was Besseres als den Krieg hat sie wahrscheinlich in ihrem ganzen Leben nicht erlebt«, sagte Dieter Franck beim Kaffee.
    »Wie kannst du so etwas sagen? Sie ist auf dem Weg ins KZ.«
    »Stell dir doch mal vor, was für ein Leben sie vor dem Krieg geführt hat. Allein, ohne Ehemann, ohne Familie, die Mutter tot, der Vater seit Jahren ein Pflegefall. Und da platzen dann auf einmal lauter junge Leute in ihr Leben, tapfere junge Männer und Frauen in hochbrisanter Mission. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie ihr alles über sich erzählt haben – über ihre Liebesgeschichten, ihre Ängste und so weiter. Sie versteckt sie in ihrem Haus, versorgt sie mit Whisky und Zigaretten, wünscht ihnen alles Gute und schickt sie los. Das war wahrscheinlich die aufregendste Zeit in ihrem Leben. Ich wette, dass sie nie zuvor so glücklich gewesen ist.«
    »Vielleicht wäre ihr ein geruhsames Leben lieber gewesen – ab und zu mal mit einer Freundin einen neuen Hut kaufen, die Kathedrale mit Blumen schmücken, einmal im Jahr ins Konzert nach Paris.«
    »Kein Mensch sehnt sich nach einem geruhsamen Leben.« Franck sah aus dem Fenster und erschrak. »Verdammt!« Auf dem Trottoir kam eine Frau auf das Haus zu. Sie schob ein Fahrrad mit einem großen Korb über dem Vorderrad neben sich her. »Wer, zum Teufel, ist das?«
    Stephanie starrte auf die näher kommende Besucherin. »Was soll ich tun?«
    Dieter Franck zögerte einen Augenblick. Der Eindringling war ein einfaches, gesund aussehendes Mädchen in schlammverkrusteten Hosen und einem Arbeitshemd, das unter den Achseln große Schweißflecken aufwies. Sie klingelte nicht an der Tür, sondern schob ihr Fahrrad in den Hof. Franck war außer sich. Sollte sein ausgeklügeltes Spiel schon so schnell auffliegen? »Sie kommt durch die Hintertür«, sagte er zu Stephanie. »Sie muss eine Freundin oder Verwandte von der Lemas sein. Du musst irgendwas improvisieren. Geh zu ihr und begrüße sie. Ich bleibe hier und höre zu.«
    Sie hörten die Hintertür auf- und wieder zugehen, und das Mädchen rief auf Französisch: »Bonjour, ich bin’s!«
    Stephanie ging in die Küche, Franck stellte sich im Esszimmer hinter die Tür. Jedes Geräusch war deutlich zu vernehmen. Als Erstes hörte er die überraschte Stimme des Mädchens.
    »Wer sind Sie denn?«
    »Ich bin Stephanie, die Nichte von Mademoiselle Lemas.«
    Die Besucherin versuchte gar nicht erst, ihren Argwohn zu kaschieren. »Ich wusste gar nicht, dass sie eine Nichte hat.«
    »Sie hat mir ja auch nichts von Ihnen erzählt.« Franck nahm einen freundlich-amüsierten Unterton in Stephanies Stimme wahr und merkte, dass sie ihren Charme spielen ließ. »Wollen Sie sich nicht setzen? Was haben Sie denn da in dem Korb?«
    »Ein paar

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