Die Leopardin
allen war zu Flicks Erstaunen Greta. »Ich kann das nicht«, sagte sie zu Flick. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich für solche harten Sachen nicht geeignet bin.«
Es war das erste Mal, dass Greta mehr als ein paar Worte gesprochen hatte. Jelly runzelte die Stirn und murmelte: »Komischer Akzent.«
»Ich helfe Ihnen«, sagte Bill zu Greta. »Stellen Sie sich ganz ruhig und entspannt hin.« Er packte sie an den Schultern und schleuderte sie mit einer schnellen, kraftvollen Bewegung zu Boden. Greta schlug heftig auf, stieß einen Schmerzensschrei aus und fing zu Flicks Entsetzen an zu weinen, nachdem sie sich wieder aufgerappelt hatte.
»Um Gottes willen, was schicken die uns denn da für Leute?«, fragte Griffiths entnervt.
Flick warf ihm einen bösen Blick zu. Sie wollte nicht, dass Bill ihr mit seinen rohen Methoden ihre Fernmeldetechnikerin vergraulte. »Nicht so heftig!«, fauchte sie ihn an.
Griffiths blieb stur. »Die Gestapo geht mit denen noch ganz anders um als ich!«
Flick erkannte, dass sie eingreifen musste, um Schlimmeres zu verhüten. Sie nahm Greta an der Hand. »Wir machen ein kleines privates Spezialtraining«, sagte sie und führte sie ums Haus herum in einen anderen Teil des Gartens.
»Tut mir leid«, sagte Greta. »Aber der kleine Kerl ist mir verhasst.«
»Ich weiß. Also, wir machen jetzt die folgende Übung zusammen. In die Knie.« Sie knieten einander gegenüber nieder und fassten sich an den Händen. »Mach einfach das Gleiche wie ich.« Flick lehnte sich langsam zur Seite, und Greta bewegte sich wie ihr Spiegelbild. Gemeinsam fielen sie um, noch immer Hand in Hand. »Na also«, sagte Flick, »das ging doch schon ganz gut, oder?«
»Wieso macht er das nicht genauso?«
Flick zuckte mit den Schultern. »Männer«, sagte sie und grinste. »Wie sieht’s aus? Bist du bereit für einen Versuch aus stehender Position? So wie eben – Hand in Hand.«
Sie machte mit Greta alle Übungen, die Bill Griffiths mit den anderen durchführte. Gretas Selbstvertrauen wuchs schnell. Schließlich kehrten sie zu der Gruppe zurück. Die Frauen sprangen inzwischen vom Tisch. Greta schloss sich ihnen an und landete perfekt. Die anderen applaudierten.
Der nächste Schritt war der Sprung vom Schrank, und zum Schluss folgte der Fall von der Trittleiter. Als Jelly von der Leiter sprang, sich schulmäßig abrollte und wieder aufstand, nahm Flick sie in die Arme. »Ich bin stolz auf dich«, sagte sie. »Das hast du großartig gemacht.«
Bill sah es mit Verdruss. Er wandte sich an Percy Thwaite: »Was, zum Teufel, ist das für eine Armee, wo man abgeknutscht wird, wenn man bloß seine verdammten Befehle befolgt?«
»Reine Gewöhnungssache, Bill«, sagte Thwaite.
Im hohen Haus an der Rue du Bois trug Dieter Franck Stephanies Koffer die Treppe hinauf und brachte ihn in Mademoiselle Lemas’ Schlafzimmer. Sein Blick wanderte vom straff bezogenen Einzelbett über den altmodischen Schubladenschrank aus Walnussholz und den Gebetsstuhl mit dem Rosenkranz auf dem Lesepult. »Leicht wird es dir nicht fallen, die Eigentümerin dieses Hauses zu spielen«, sagte er skeptisch und legte den Koffer aufs Bett.
»Ich sage einfach, ich hätte es von meiner altjüngferlichen Tante geerbt und mich bisher noch nicht dazu aufgerafft, es nach meinem Geschmack umzugestalten«, meinte Stephanie.
»Raffiniert. Trotzdem glaube ich, dass du hier ein bisschen Unordnung schaffen musst.«
Stephanie öffnete den Koffer, entnahm ihm ein schwarzes Negligé und drapierte es wie sorglos hingeworfen über den Gebetsstuhl.
»Schon besser«, kommentierte Franck. »Wie verhältst du dich, wenn das Telefon klingelt?«
Stephanie ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Als sie dann sprach, klang ihre Stimme tiefer als sonst, und ihr Pariser Oberschichtenakzent war dem Tonfall einer gut bürgerlichen Frau aus der Provinz gewichen. »Hallo? Jawohl, Sie sprechen mit Mademoiselle Lemas. Wer ist am Apparat, bitte?«
»Sehr gut«, sagte Franck. Ein guter Freund oder Verwandter würde sich durch diese Nummer wahrscheinlich nicht täuschen lassen. Weniger vertraute Anrufer würden dagegen keinen Verdacht schöpfen, zumal die Stimme auf dem Übertragungsweg noch verzerrt wurde.
Sie untersuchten das Haus von oben bis unten. Es hatte vier weitere Schlafzimmer, die offenbar jederzeit für Gäste bereitstanden. Die Betten waren frisch bezogen, und neben jedem Waschbecken hing ein frisches Handtuch. In der Küche, wo man eine Auswahl kleiner Kasserollen und ein
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