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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ihr. »Sind natürlich nur Platzpatronen drin«, sagte Griffiths.
    Flick wünschte sich nicht zum ersten Mal, dass er seine Lektionen etwas weniger dramatisch gestaltete.
    »Wir werden gleich all diese Techniken miteinander ausprobieren«, fuhr er fort, nahm das Elektrokabel und sagte zu Greta: »Hier, legen Sie mir das um den Hals. Wenn ich ›Los!‹ sage, ziehen Sie es so fest an, wie Sie können.« Er reichte ihr das Kabel. »Der Gestapo-Mann oder der verräterische Kollaborateur von der französischen Gendarmerie oder wer immer es auf Sie abgesehen hat, kann Sie mit diesem Kabel zwar töten, aber nicht Ihr Gewicht halten. Also, Greta, los, erwürgen Sie mich!« Greta zögerte kurz, dann zog sie mit aller Kraft zu, und das Kabel grub sich in Griffiths’ Stiernacken. Der Ausbilder warf ruckartig beide Beine nach vorn und landete mit dem Rücken voran auf dem Boden. Das Kabel rutschte Greta aus der Hand.
    »Dummerweise liegen Sie dann auf der Erde und Ihr Feind steht über Ihnen, und das ist keine sehr vorteilhafte Position.« Er stand auf. »Wir probieren es gleich noch einmal. Diesmal werde ich allerdings, bevor ich zu Boden gehe, meinen Widersacher am Handgelenk packen.« Sie nahmen die Ausgangsstellung ein, und Greta zog die Schlinge wieder zu. Griffiths packte sie am Handgelenk, stürzte zu Boden und zog sie mit sich. Als Greta kopfüber auf ihn fiel, zog er ein Bein an und rammte es ihr mit Gewalt in die Magengrube.
    Greta rollte von ihm herunter, krümmte sich, rang nach Luft und würgte. »Herrgott, Bill, das war ein bisschen zu heftig!«, sagte Flick.
    Bill Griffiths wirkte sehr zufrieden. »Die Gestapo ist noch viel schlimmer als ich«, sagte er.
    Flick half Greta wieder auf die Beine. »Tut mir leid«, sagte sie.
    »Der ist doch selbst ein altes Nazischwein«, keuchte Greta.
    Flick führte sie ins Haus und ließ sie sich in der Küche niedersetzen. Der Koch, der gerade Kartoffeln fürs Mittagessen schälte, bot Greta eine Tasse Tee an, die sie dankbar entgegennahm.
    Als Flick wieder in den Garten kam, hatte Griffiths sich gerade sein nächstes Opfer ausgesucht. Es war Ruby. Er gab ihr den Schlagstock. Ein listiges Funkeln lag in Rubys Augen, und Flick dachte: Wenn ich Bill wäre, würde ich jetzt höllisch aufpassen.
    Von früheren Kursen wusste sie, was nun folgen würde: Wenn Ruby mit erhobenem Schlagstock auf ihn einstürmte, würde Bill sie am Arm packen, sich umdrehen und sie über seine Schultern katapultieren. Ruby würde flach auf dem Rücken landen, und es würde entsprechend wehtun.
    »So, mein Zigeunermädchen, jetzt komm«, sagte Griffiths. »Schlag mit dem Knüppel zu, so fest du kannst.«
    Ruby hob den Arm, und Bill ging auf sie los. Doch dann nahm die Übung einen anderen Verlauf als sonst, denn als er nach ihrem Arm griff, war der nicht da, wo er sein sollte. Der Schlagstock fiel zu Boden. Ruby überraschte Bill mit einer Gegenattacke und stieß ihm ihr Knie in die Weichteile, sodass er vor Schmerzen aufschrie. Sie packte ihn an der Hemdbrust, riss ihn zu sich heran und ließ ihren Kopf gegen seine Nase krachen. Dann trat sie ihn mit ihren robusten schwarzen Schnürschuhen ans Schienbein.
    Bill Griffiths stürzte zu Boden, aus seiner Nase schoss Blut.
    »Du Aas!«, brüllte er. »Das ist nicht erlaubt!«
    »Die Gestapo ist noch viel schlimmer als ich«, sagte Ruby.
    Genau eine Minute vor drei parkte Dieter Franck seinen Wagen vor dem Hotel Frankfurt. Unter dem steinernen Blick der Engelstatuen in den Strebepfeilern überquerte er mit schnellen Schritten den kopfsteinbepflasterten Platz vor der Kathedrale. Dass schon gleich am ersten Tag ein Agent der Alliierten am Treffpunkt auftauchen würde, war fast zu viel erwartet. Andererseits würden die Alliierten, wenn die Invasion tatsächlich unmittelbar bevorstand, jede Karte ausspielen, die sie hatten.
    Am Straßenrand stand Mademoiselle Lemas’ Simca Cinq. Stephanie war also bereits da. Franck war froh, dass er noch rechtzeitig gekommen war. Wenn etwas schief ging, sollte Stephanie nicht auf sich allein gestellt sein.
    Durch das große Westportal trat er ins kühle Dämmerlicht der Kathedrale. Er sah sich nach Leutnant Hesse um und erspähte ihn auf einem Stuhl in der letzten Reihe. Sie nickten einander kurz zu, wechselten aber kein Wort.
    Dieter Franck empfand sich sofort als Frevler. Berufliche Obliegenheiten wie die seinen gehörten nicht in eine solche Atmosphäre. Er war zwar nicht besonders fromm – nach eigener Einschätzung

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