Die Leopardin
seinem ersten Tag! Und das Gepäckstück, das er bei sich trug, enthielt mit Sicherheit ein Koffer-Funkgerät; was wiederum bedeutete, dass er auch ein Codebuch mit sich führte. Das war mehr, als Franck zu hoffen gewagt hatte.
Allerdings war da noch Weber, und der war imstande, alles zu ruinieren.
Der Agent ging an Franck vorüber und verlangsamte seinen Schritt. Es war unverkennbar, dass er die Krypta suchte.
Jetzt entdeckte auch Weber den Mann, musterte ihn gründlich, drehte sich dann aber rasch wieder um und tat so, als studiere er die Kannelierung einer Säule.
Vielleicht geht ja doch noch alles gut, dachte Franck. Es ist zwar erzdumm von Weber, dass er überhaupt hierhergekommen ist, aber vielleicht will er ja nur observieren. So ein Schwachkopf, jetzt dazwischen zu funken, ist er wohl doch nicht – oder? Er könnte uns eine einmalige Chance zunichtemachen.
Der Agent hatte nun das Tor zur Krypta gefunden, ging die Steintreppe hinunter und verschwand.
Weber spähte ins südliche Querschiff und nickte jemandem zu. Franck, der seinem Blick folgte, erkannte zwei weitere Gestapo-Leute, die unterhalb der Orgelempore herumlungerten. Das war ein schlechtes Zeichen. Nur zu Observationszwecken benötigte Weber keine vier Mann. Franck überlegte, ob ihm noch die Zeit blieb, Weber anzusprechen und ihn dazu zu bewegen, seine Leute fortzuschicken. Aber Weber würde widersprechen, es käme zu einer Auseinandersetzung, und dann.
Es blieb ohnehin keine Zeit mehr: Schon kam Stephanie die Treppe herauf, und der Agent folgte ihr auf dem Fuße.
Oben angekommen, erkannte sie Weber und erschrak. Seine unerwartete Anwesenheit verwirrte sie. Es war, als hätte sie eine Bühne betreten und sich im falschen Stück wiedergefunden. Als sie stolperte, fasste der junge Agent sie am Ellbogen und half ihr, das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Mit der ihr eigenen Schnelligkeit fing sie sich und lächelte ihm dankbar zu. Gut gemacht, mein Mädchen, dachte Franck.
In diesem Augenblick trat Weber vor.
»Nein!«, entfuhr es Franck unwillkürlich, doch niemand hörte ihn.
Weber nahm den Agenten am Arm und sagte etwas zu ihm. Francks Hoffnungen auf einen guten Ausgang schwanden, als er sah, dass Weber den Mann verhaften wollte. Stephanie trat erschrocken von der Szene zurück.
Franck raffte sich auf und ging mit entschlossenen Schritten auf die kleine Gruppe zu. Es gab nur eine Erklärung für Webers Verhalten: Er wollte absahnen, wollte einen Agenten erwischen und den Ruhm dafür einstreichen. Das war zwar der helle Wahnsinn, aber plausibel.
Ehe Franck die Gruppe erreicht hatte, riss der Spion sich von Weber los und rannte davon.
Webers junger Begleiter im Karo-Jackett reagierte schnell. Mit zwei großen Schritten setzte er hinter dem fliehenden Agenten her, dann warf er sich nach vorne und umklammerte dessen Knie. Der Spion stolperte, war jedoch stark genug, sich aus dem Griff des Verfolgers zu befreien. Er richtete sich wieder auf und rannte weiter, den Koffer fest an sich gedrückt.
Das plötzliche Geräusch schneller Schritte und das Ächzen der beiden Männer hallten laut in der stillen Kathedrale wider, sodass auch die an dem Geschehen unbeteiligten Besucher des Gotteshauses aufmerksam wurden. Der Agent lief direkt auf Dieter Franck zu. Der sah voraus, was jetzt kommen würde, und stöhnte. Aus dem südlichen Querschiff trat das zweite Gestapo-Duo hervor. Der Agent sah die beiden und schien zu ahnen, wer sie waren. Mit einer raschen Wendung nach rechts wollte er ihnen ausweichen, aber es war bereits zu spät. Einer der beiden Männer stellte ihm ein Bein, und der Agent stürzte kopfüber auf den Steinboden, so heftig, dass es vernehmbar klatschte. Der Koffer segelte davon. Die beiden Gestapo-Beamten warfen sich auf den Agenten, und dann kam auch schon Willi Weber angerannt und strahlte vor Zufriedenheit über das ganze Gesicht.
Dieter Franck vergaß für einen Moment, wo er war, und sagte vernehmlich: »Scheiße!« Diese verrückten Idioten ruinierten ihm alles.
Aber vielleicht ließ sich die Situation doch noch retten.
Er griff in sein Jackett, zog seine Walther heraus, entsicherte sie, richtete sie auf die beiden Gestapobeamten, die den Agenten festhielten und brüllte auf Französisch: »Lassen Sie ihn los oder ich schieße!«
»Aber Herr Major.«, sagte Weber. »Ich.«
Franck feuerte einen Schuss in die Luft. Der scharfe Knall wurde von den Mauern vervielfacht und hallte in den Gewölben nach.
Webers verräterische
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