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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gerne mehr über sie wissen.«
    »Sie war immer begierig auf Abenteuer«, sagte Diana. »Sie liebte die langen Reisen nach Frankreich, jedes Jahr im Februar. Wir verbrachten eine Nacht in Paris und nahmen dann den Train Bleu nach Nizza. Einmal entschloss sich mein Vater, die Winterreise nach
    Marokko zu unternehmen. Ich glaube, das war die schönste Zeit in Flicks Leben. Sie hat sogar ein paar Worte Arabisch gelernt und sich mit den Händlern im Basar unterhalten. Wir lasen damals die Memoiren dieser wagemutigen Forscherinnen aus Königin Viktorias Zeiten, die als Männer verkleidet den Nahen Osten bereist hatten.«
    »Kam sie gut mit Ihrem Vater aus?«
    »Besser als ich.«
    »Kennen Sie ihren Mann? Was ist das für ein Mensch?«
    »Flick sucht sich immer etwas exotische Männer aus. Ihr bester Freund in Oxford war ein Junge aus Nepal, Rajendra, was im College für erhebliche Empörung sorgte, das kann ich Ihnen sagen. Obwohl ich nicht glaube, dass sie sich jemals in indezenter Form mit ihm einließ. Sie wissen schon. Ein anderer Student, Charlie Standish, war hoffnungslos in sie verknallt, aber er war ihr einfach zu langweilig. Sie verliebte sich dann in Michel, weil er charmant ist, Ausländer und blitzgescheit. Und das gefällt ihr.«
    »Exotisch«, wiederholte Paul.
    Diana lachte. »Keine Sorge, das passt schon. Sie sind Amerikaner, haben nur noch anderthalb Ohren und sind alles andere als auf den Kopf gefallen. Eine Chance haben Sie auf jeden Fall.«
    Paul erhob sich. Das Gespräch hatte eine unangenehm intime Wendung genommen. »Ich fasse das als Kompliment auf«, sagte er mit einem Lächeln und verabschiedete sich. »Gute Nacht.«
    Auf dem Weg nach oben kam er an Flicks Zimmer vorbei. Unter der Tür war ein Lichtschein zu sehen.
    Er legte sich ins Bett, konnte aber nicht einschlafen. Er war zu erregt und zu glücklich. Immer wieder musste er an den Kuss denken. Warum können wir nicht so sein wie Ruby und Jim und schamlos unserer Begierde nachgeben?, dachte er. Warum geht das nicht? Ja, warum eigentlich nicht, verdammt?
    Im Haus war alles still.
    Ein paar Minuten nach Mitternacht stand Paul auf, schlich den Flur entlang bis zu Flicks Zimmertür, klopfte vorsichtig an und ging hinein.
    »Hallo«, sagte sie leise.
    »Ich bin’s.«
    »Ich weiß.«
    Sie lag auf dem Rücken in ihrem Einzelbett, den Kopf von ein oder zwei Kissen gestützt. Die Vorhänge waren zurückgezogen, und das Mondlicht schien durch das kleine Fenster. Er konnte ziemlich deutlich die gerade Linie ihrer Nase und das wie gemeißelt wirkende Kinn erkennen, das er einmal für wenig attraktiv gehalten hatte. Jetzt kam es ihm engelhaft vor.
    Er kniete neben dem Bett nieder.
    »Die Antwort heißt ›nein‹«, sagte sie.
    Er nahm ihre Hand und küsste die Innenfläche. »Bitte«, sagte er.
    »Nein.«
    Er beugte sich über sie, um sie zu küssen, doch sie wandte den Kopf ab.
    »Nur einen Kuss...«
    »Wenn ich dich küsse, bin ich verloren.«
    Das gefiel ihm. Es besagte, dass es ihr nicht anders erging als ihm selbst. Er küsste ihr Haar, ihre Stirn und ihre Wange, doch sie wandte ihm ihr Gesicht nicht zu. Er küsste ihre Schulter durch den Baumwollstoff ihres Nachthemds und streifte ihre Brust mit seinen Lippen. »Du willst es«, sagte er.
    »Raus!«, befahl sie.
    Jetzt sah sie ihn an. Er neigte sich zu ihr, um sie zu küssen, aber sie legte ihm einen Finger auf die Lippen, als wolle sie ihn am Sprechen hindern, und sagte: »Geh jetzt. Es ist mein Ernst.«
    Im Licht des Mondes betrachtete er ihr schönes Gesicht. Ihr Ausdruck verriet Entschlossenheit. Obwohl er sie kaum kannte, wusste er, dass er sich über ihren Willen nicht hinwegsetzen durfte. Widerstrebend stand er auf.
    Einen letzten Versuch wollte er noch machen. »Schau, lass uns doch.«
    »Kein Wort mehr. Geh!« Er drehte sich um und verließ das Zimmer.

+++ fünfter tag + + +
    donnerstag, 1. juni 1944
    Dieter Franck schlief ein paar Stunden im Hotel Frankfurt und stand gegen zwei Uhr morgens wieder auf. Er war allein; Stephanie war im Haus in der Rue du Bois mit Helicopter, dem britischen Agenten. Irgendwann im Verlauf des Vormittags würde Helicopter versuchen, mit dem Chef der Bollinger-Gruppe Kontakt aufzunehmen, und er, Dieter, würde ihn im Auge behalten müssen. Da er wusste, dass Helicopter zunächst noch einmal die Adresse von Michel Clairet aufsuchen wollte, beschloss er, das Haus vom ersten Morgengrauen an unter Beobachtung zu stellen.
    Noch vor Sonnenaufgang fuhr er mit seinem

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