Die Leopardin
Schuld, Sie Idiot!«, antwortete er wütend. »Dieser Mann durfte unter keinen Umständen verhaftet werden.«
»Für das, was Sie sich da geleistet haben, kann ich Sie vors Kriegsgericht bringen.«
Im ersten Moment wollte sich Franck über diese Drohung lustig machen, doch dann besann er sich eines Besseren. Weber hatte Recht. Er, Franck, hatte zwar nur getan, was nötig gewesen war, um die Situation zu retten, aber im bürokratischen Dritten Reich war es durchaus möglich, dass man einen Offizier, der auf eigene Initiative handelte, zur Rechenschaft zog. Seine Zuversicht schwand, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als mit gespieltem Selbstbewusstsein zu antworten: »Na los, dann schwärzen Sie mich doch an! Ich glaube, ich kann mich vor dem Tribunal durchaus rechtfertigen.«
»Sie haben sogar geschossen!«
»Tja, das haben Sie wohl noch nicht so oft erlebt in Ihrer militärischen Laufbahn, wie?« Er konnte sich diese Bemerkung einfach nicht verkneifen.
Weber lief knallrot an. Er hatte noch nie an Kampfhandlungen teilgenommen. »Waffen sollen gegen den Feind eingesetzt werden, nicht gegen Offizierskameraden!«
»Ich habe lediglich in die Luft geschossen. Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe. Sie waren drauf und dran, einen erstklassigen Abwehrcoup zu ruinieren. Meinen Sie nicht, dass ein Militärgericht das berücksichtigen würde? Welchen Befehlen folgten eigentlich Sie ? Sie waren es doch, der sich disziplinlos verhalten hat.«
»Ich habe einen britischen Spion verhaftet.«
»Und warum, wenn ich fragen darf? Das war doch bloß einer. Der Feind hat noch eine ganze Menge davon in der Hinterhand. Wenn man diesen aber laufen lässt und ihm heimlich folgt, wird er uns zeigen, wo andere sind – viele andere vielleicht. Ihre Insubordination hätte uns diese Chance zunichte gemacht. Sie können von Glück reden, dass ich Sie vor einem grauenhaften Fehler bewahrt habe.«
In Webers Blick lag ein verschlagener Zug. »Es gibt durchaus einflussreiche Leute, die Ihr Interesse an der Befreiung eines alliierten Spions höchst verdächtig finden.«
Dieter Franck seufzte. »Sparen Sie sich diesen Blödsinn. Ich bin kein armseliger jüdischer Krämer, der sich von derartig böswilligem Geschwätz einschüchtern ließe. Sie werden mich nicht des Verrats bezichtigen wollen – das nimmt Ihnen doch kein Mensch ab! So, und wo sind jetzt bitte meine Leute?«
»Der Spion muss unverzüglich verhaftet werden.«
»Nein, das kommt nicht infrage, und wenn Sie es versuchen, werde ich Sie erschießen. Wo sind die Männer?« »Ich weigere mich, Ihnen viel beschäftigte Männer für eine so verantwortungslose Aufgabe zur Verfügung zu stellen.«
»Sie weigern sich?«
»Jawohl.«
Franck starrte ihn an. So viel Dummheit – oder auch Tapferkeit – hätte er Weber nie zugetraut. »Wissen Sie, was Ihnen bevorsteht, wenn der Generalfeldmarschall davon erfährt?«
Webers Trotz war stärker als seine Angst. »Ich gehöre nicht zur Wehrmacht«, sagte er. »Wir sind hier bei der Gestapo.«
Damit hat er unglücklicherweise Recht, dachte Franck resigniert. Walter Goedel hat gut reden, wenn er mir befiehlt, auf Gestapo-Personal zurückzugreifen, anstatt mit an der Küste dringend benötigten Soldaten gegen die Spione vorzugehen. Der Haken daran ist nur, dass die Gestapo nicht verpflichtet ist, meinen Befehlen Folge zu leisten. Eine Zeit lang hat sich Weber durch den Namen Rommel einschüchtern lassen, doch inzwischen ist das eine leere Drohung geworden.
Blieb ihm also nur noch Leutnant Hesse. Ob wir beide es ohne weitere Unterstützung schaffen, Helicopter zu beschatten?, dachte er. Es wird sicher nicht einfach, aber wir haben keine Alternative.
Er versuchte es mit einer letzten Drohung. »Sind Sie bereit, die Konsequenzen Ihrer Weigerung zu tragen, Willi? Sie bekommen die allergrößten Schwierigkeiten.«
»Ganz im Gegenteil. Ich glaube, Ihr Kopf ist es, der in der Schlinge steckt.«
Dieter Franck wandte sich ab. Es ist alles gesagt, dachte er. Ich habe ohnehin schon viel zu viel Zeit auf die Herumstreiterei mit diesem Idioten verschwendet.
Er verließ das Büro. In der Eingangshalle begegnete er Hesse und erklärte ihm die Lage. Gemeinsam begaben sie sich in den hinteren Teil des Schlosses, wo in den ehemaligen Dienstbotenquartieren die technische Abteilung untergebracht war. Hesse hatte am Abend zuvor erreicht, dass man ihnen einen Lieferwagen der Post und ein
Moped zur Verfügung stellte. Letzteres war eine Art
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