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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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großen Wagen über die kurvenreichen Straßen nach Sainte-Cecile, vorbei an mondbeschienenen Weinbergen. Er parkte den Wagen vor dem Chateau und begab sich zuerst in den Keller, wo das Fotolabor untergebracht war. Die Dunkelkammer war leer, doch seine Abzüge waren fertig; sie hingen, mit Klammern befestigt, wie Wäsche zum Trocknen an einer Leine. Er hatte darum gebeten, Helicopters Bild von Felicity Clairet abzufotografieren und zwei Abzüge davon herzustellen. Jetzt nahm er die neuen Fotos von der Leine und prüfte sie. In Gedanken sah er die Frau wieder durchs Gewehrfeuer über den Platz rennen und ihren Ehemann bergen. Er versuchte in der sorgenfreien Miene des hübschen Mädchens im Badeanzug eine Andeutung dieser stahlharten nervlichen Konstitution zu erkennen, doch es gelang ihm nicht. Sie hatte sich zweifellos erst im Krieg entwickelt. Er steckte das Negativ ein und nahm auch das Originalfoto an sich, das nun so bald wie möglich wieder unbemerkt in Helicopters Besitz gelangen musste. Franck fand ein Kuvert und einen leeren Briefbogen, dachte einen Augenblick nach und schrieb:
    Meine Liebste,
    wenn sich Helicopter rasiert, steck bitte dieses Foto in die Innentasche seiner Jacke. Es muss so aussehen, als wäre es aus seiner Brieftasche gerutscht. Danke.
    D.
    Er steckte Brief und Bild in den Umschlag, klebte ihn zu und adressierte ihn mit »Mlle. Lemas«. Er würde ihn später in die Rue du Bois bringen.
    Er ging an den Zellen vorbei und warf durch ein Guckloch einen Blick auf Marie, die sie gestern im Haus von Mademoiselle Lemas mit einer Lebensmittellieferung für die »Gäste« überrascht hatte. Sie lag auf einer blutverschmierten Decke und starrte mit von nacktem Entsetzen geweiteten Augen an die Wand. Dabei wimmerte sie ununterbrochen; es klang wie eine kaputte Maschine, die man nicht abgestellt hat.
    Er hatte Marie noch am vergangenen Abend verhört, aber nichts Brauchbares aus ihr herausbekommen. Sie beharrte darauf, außer Mademoiselle Lemas niemanden aus der Resistance zu kennen. Obwohl er dazu geneigt hatte, ihr zu glauben, hatte er sie für alle Fälle noch von Wachtmeister Becker foltern lassen. An ihren Aussagen hatte das nichts geändert. Inzwischen war er zuversichtlich, dass die Resistance durch ihr Verschwinden nicht auf die falsche Mademoiselle Lemas in der Rue du Bois aufmerksam werden würde.
    Der Anblick des zerschlagenen Körpers machte ihn vorübergehend depressiv. Er sah das Mädchen wieder vor sich, wie es mit seinem Fahrrad den Fußweg entlangkam, strotzend vor Gesundheit und Lebensfreude. Marie war ein glückliches Mädchen gewesen, hatte sich jedoch sehr töricht verhalten. Sie hatte einen einfachen Fehler gemacht – und nun ging ihr Leben auf grausame Weise zu Ende. Gewiss, sie hatte kein anderes Schicksal verdient, denn sie hatte die Partisanen unterstützt. Dennoch war es grauenhaft, sie da in ihrem Elend liegen zu sehen.
    Er verdrängte sie aus seinem Gedächtnis und ging die Treppe hinauf. Im Erdgeschoss arbeiteten die Telefonistinnen der Nachtschicht an ihren Schaltbrettern. Im Stockwerk darüber befanden sich in den einstmals aberwitzig großen Schlafgemächern des Adels die Büroräume der Gestapo.
    Seit dem Fiasko in der Kathedrale hatte Franck Weber nicht mehr gesehen und ging nun davon aus, dass der Mann sich irgendwohin zurückgezogen hatte, um seine Wunden zu lecken. Er hatte allerdings mit Webers Stellvertreter gesprochen und ihn ersucht, für drei Uhr morgens vier Gestapo-Beamte in Zivil für eine eintägige Beschattungsaktion bereitzustellen. Auch Leutnant Hesse hatte er herbeizitiert.
    Er schob eine Verdunkelungsblende beiseite und sah hinaus. Über den vom Mondschein erhellten Parkplatz schritt Hesse auf das Schloss zu, doch außer ihm war keine Menschenseele zu sehen.
    Franck ging in Webers Büro und stellte zu seiner Überraschung fest, dass es besetzt war. Weber saß beim Schein einer grün beschirmten Lampe am Schreibtisch und tat so, als bearbeite er irgendwelche Papiere.
    »Wo sind die Männer, um die ich Sie gebeten habe?«, fragte Franck.
    Weber erhob sich. »Sie haben gestern die Waffe auf mich gerichtet«, sagte er. »Was, zum Teufel, fällt Ihnen ein, einen Offizier mit einer Pistole zu bedrohen?«
    Diese Reaktion traf Franck unvorbereitet. Weber verhielt sich aggressiv wegen eines Vorfalls, bei dem er sich wie ein Idiot benommen hatte! Wusste er tatsächlich nicht, was für ein furchtbarer Fehler ihm unterlaufen war? »Das war doch Ihre eigene

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