Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
der Zweijährige geblieben, dem sie an jenem letzten Morgen einen Abschiedskuss gegeben hatte; dann war sie aus seinem Zimmer geschlüpft, bevor er aufwachte und merkte, dass sie fort war, und zu dem Bus gerannt, der sie nach Gunnison brachte. Es war, als wäre Dexter gestorben, nicht, als hätte sie ihn verlassen.
    Nun, jetzt war sie zusammen mit ihm hier eingeschlossen, bereit zu allen Auseinandersetzungen und Versöhnungen, die vor ihr lagen.
    Die Lufttemperatur sank stetig, je tiefer es hinab ging. Dexter wischte mit dem Ärmel Kondenswasser von den Steuerelementen. Die Erwachsenen hüllten sich in die dicken Jacken, die Lisa und Dexter ausgegeben hatten. Eddie sagte, er brauche keine Jacke, aber Masayo legte ihm eine Decke um die schmalen Schultern. Ein wenig später wurde der Junge allmählich müde, und Masayo hob ihn auf seinen Schoß, wickelte ihn in seine eigene Jacke und ließ ihn ein wenig schlafen.

    In der kräftezehrenden, feuchten Kälte, der summenden, tröstlichen Stille des U-Boots fühlte sich Kelly trotz der Kilometer Meereswasser, die sich über ihr türmten, auf seltsame Weise geborgen; es war ein wenig wie in der Arche.
    Vielleicht schlief sie.
     
    Sie wurde abrupt von einem heftigen Schaukeln und dem Surren von Motoren aufgeweckt. Lisa zeigte auf eines der kleinen Fenster, hinter dem sich Lichter im Dunkeln bewegten.
    Kelly erhob sich steif und frierend von ihrer Liege und bückte sich, um durch den Glasstöpsel eines Bullauges zu blicken. Sie sah Kugeln auf dem Meeresboden liegen, befestigt mit Kabeln und erhellt von Scheinwerfern, schimmernd wie eine Industrieanlage. Die Kugeln berührten einander an kreisrunden Schnittstellen, die sie verbanden. Jede Kugelhülle war mit einer Bemalung versehen, dem Sternenbanner, einem fetten UNITED STATES und diesem dreieckigen Arche-Zwei-Logo. Ein weiteres U-Boot, das ihrem glich, schwebte über der Anlage, mit lose herabhängenden Stahlseilen vertäut.
    Sie schienen über einer Straße und einem Hügel im Schmutz zu schweben, der früher irgendein Fahrzeug gewesen sein mochte. Doch der Schlick des Meeresbodens lag überall wie trüber Schnee, und seltsame Fische und Krebse, hellrosa und weiß in den Scheinwerfern des U-Boots, zogen ihre Bahnen über geborstenem Asphalt. Ein von den Scheinwerfern des U-Boots aus dem Dunkeln gerissener Maschendrahtzaun erstreckte sich bis zum Rand des Blickfelds, durchbrochen von Gebilden, die wie Wachtürme aussahen.
    Dexter tippte auf eine Taste. Auf einem der Bildschirme erschien ein menschliches Gesicht, breit und verhutzelt, und eine raue Stimme schnarrte: »Fähre Drei, Sie haben Erlaubnis anzudocken.
Und ihr Passagiere, ihr seid jetzt zwölf Komma vier Kilometer tief unter den Wellen, tiefer als jeder Punkt auf dem Meeresboden vor der Flut. Willkommen in der Arche Zwei.«
    Kelly machte große Augen. »Dad?«
    Edward Kenzie funkelte sie an. »Bist du das, Kelly? Ich wusste, dass du’s vermasseln würdest. Wir sehen uns, wenn du die Regularisierung durchlaufen hast. Arche out.« Der Bildschirm flackerte und wurde blau.

81
    Die »Regularisierung« erwies sich als langwierige Prozedur. Jeder, der »oben« gewesen war, auch die Besatzung der Fähre, musste sich einem Druckausgleich unterziehen; dazu gehörte, dass sie ein paar Stunden in einer Art Luftschleuse saßen, während Sanitäter Blut- und Gewebeproben aus ihren Nasenschleimhäuten entnahmen und eine gründliche ärztliche Untersuchung durchführten. Dexter zufolge sollte damit sichergestellt werden, dass sie keine unbekannten Bazillen in die Arche einschleppten. Die Luftschleuse selbst wies weitere Ähnlichkeiten mit der Arche Eins auf: die abgewetzten Metallflächen, die durch häufige Benutzung glattpolierten Türgriffe, das leicht verkratzte Glas der dicken Portale. Wie die Arche Eins war auch dies inzwischen eine alte Maschine.
    Jenseits des Behandlungsraums stießen Gänge mit Metallwänden aufeinander. Dort wurden sie von Mel Belbruno empfangen. Er stand in Habachtstellung da, als die Tür der Luftschleuse aufging. Doch als er Kelly sah, löste er sich aus seiner militärischen Haltung, lief zu ihr und umarmte sie. »Mein Gott. Ich hätte nie gedacht, dass ich dich nochmal wiedersehen würde.«
    »Tja, war auch nicht so geplant.« Sie hielt ihn auf Armeslänge entfernt. Er war mit den Jahren korpulenter geworden, und seine Haare lichteten sich, aber über seinem dicker gewordenen Hals war ein sehr vertrautes, ein wenig nervöses Gesicht. Er
trug den

Weitere Kostenlose Bücher