Die Letzte Arche
Während des Fluges war ich eine kompetente Kommandantin. Ich bin sogar Beziehungen
eingegangen, ich war bereit, weitere Kinder zu bekommen und meine Verpflichtungen in Bezug auf den Genpool zu erfüllen.«
»Ja. Du hattest immer deinen Fan-Club, du Superstar. Nun, deine große Zeit liegt hinter dir, falls du überhaupt je eine hattest. Und jetzt bist du hier, kannst nirgends anders hin und hast nichts als ein schreiendes Gör von irgend so einem Renegaten. Also, reden wir über die Mission. Was ist schiefgegangen?«
»Du hast doch die Schiffstagebücher gelesen. Du weißt, was passiert ist. Ich habe getan, was ich tun musste.«
»Dummes Zeug.«
»Es stimmt. Meiner Meinung nach war die Erde II keine akzeptable Alternative. Und über drei Jahrzehnte hinweg zu einem anderen hoffnungsvollen Kandidaten weiterzufliegen, war auch nicht akzeptabel. Die Rückkehr war die einzige Möglichkeit.«
Edward schlug mit seiner knochigen Faust auf den Tisch. »Ich sag’s nochmal: Dummes Zeug! Ich kenne dich, Fräulein. Ich habe dich herangezüchtet wie eine Treibhaustomate. Ich kenne deine Stärken und Schwächen. Ja, du warst bei weitem die beste Kandidaten, die warst du immer. Du hattest Köpfchen, sportliche Fähigkeiten, Führungsqualitäten, Charisma. Zum Teufel, du hattest sogar einen guten Body und das dazugehörige Gesicht. Aber du hattest einen Fehler, einen einzigen großen Fehler, nämlich deinen verdammten Stolz. Du wolltest nicht akzeptieren, dass du von Wilson Argent zum Rücktritt gezwungen worden warst. So was passiert einer Kelly Kenzie doch nicht! Statt also deine Fähigkeiten für irgendwas anderes einzusetzen, hast du eine Multimilliardendollar-Operation in den Sand gesetzt und dabei auch gleich noch die beste Hoffnung der Menschheit zunichtegemacht, auf Dauer zu überleben. Und keine Ausrede von wegen dem Wohl der Crew, der Durchführbarkeit
der Mission oder wie sehr du dich danach gesehnt hast, dein verlorenes kleines Baby wiederzusehen, wird bei mir ziehen! « Er schrie jetzt; seine Stimme war schrill, sein Körper reglos. »Du hättest deine Crew lieber in die Hölle geführt, statt Wilson oder jemand anderem ins Paradies zu folgen. Darum bist du nun auf die Erde gefallen, wie Satan.«
»Du hast mich mit deinem übermäßigen Ehrgeiz und deinen Lügen zu dem gemacht, was ich bin, Dad. Du hast mir nicht mal erzählt, dass es diese Anlage hier gibt! Meine Fehler sind deine Fehler.«
»Und hast du mich zu dem gemacht, was ich bin, Kelly?«, fragte Dexter.
Kelly verspürte einen Anflug von Scham, weil sie in der Hitze der Konfrontation mit ihrem Vater kurzzeitig vergessen hatte, dass Dexter überhaupt im Raum war.
Edward schnaubte. »Herrgott. Schau uns an, da sind wir drei in einer Metallschachtel auf dem Grund des verdammten Meeres gefangen und zanken uns wie die Kesselflicker. Was für eine Familie.«
Die Tür ging auf. Masayo stand zaghaft da; er hielt Eddie an der Hand. Thandie stand neben ihm. »Tut mir leid. Er hat seine Mom vermisst«, sagte Masayo. »Ich glaube, er hat ein bisschen Angst.«
»Komm her, Süßer.« Kelly streckte die Arme aus. Eddie lief zu ihr, und sie hob ihn mit ein wenig Unterstützung von Masayo auf ihren Schoß.
Edward sah ihnen zu. Sein schweres, froschähnliches Gesicht war unergründlich. Sein Wutausbruch schien ihn erschöpft zu haben. »Nun ja, wenigstens hattest du so viel Verstand, nach Hause zu kommen, zum sichersten Ort, den es gibt.«
»Sicher?«, sagte Kelly.
»Aber ja. Die letzte Zuflucht. Darum geht es hier. Die Erde hat schon früher schwere Zeiten durchgemacht, erklären mir die Intelligenzbestien wie Thandie. In der Frühzeit ihrer Entstehung, als sie von Einschlägen mondgroßer Asteroiden übel zugerichtet wurde, hat sich das Leben immer dorthin zurückgezogen, wo es am sichersten war. Nach unten und nach innen . Du weißt, dass es in den tieferen Schichten der Erdkruste Lebensformen gibt, die sich vom Gestein selbst ernähren, also von den mineralischen Ausfällungen und der Wärme leben, die es seit Anbeginn dort gab. Und nun sind wir auch hier und leben, so gut wir können, von den Fischen und den Schwarzer-Raucher-Ökologien.
Aber diese Arche ist nur eine Zwischenstation. Auf längere Sicht sollten wir dem Leben in seine tiefer gelegenen Rückzugsräume folgen. Ich spreche von einer Verschmelzung der menschlichen DNA mit Extremophilen. Ich spreche davon, mit der Substanz der Menschheit versetzte Prokaryoten in die tiefe heiße Biosphäre zu
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