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Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
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doppelten Gravitationskonstante, geteilt durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit …«
    »Zehn hoch neunundzwanzig Kilogramm«, rief Venus Jenning aus, ein schwarzes Mädchen, dessen Familie aus Utah stammte und vor dem sich anbahnenden Mormonenaufstand geflohen
war. Soweit Holle erkennen konnte, hatte sie das im Kopf ausgerechnet. Während der Arbeit las sie ein vergilbendes Taschenbuch unter ihrem Pult, einen Science-Fiction-Roman mit knalligem Titelbild.
    »Nochmal in verständlichen Worten«, blaffte Liu zurück. »Was bedeutet diese Zahl?«
    »Ein Zehntel der Sonnenmasse«, sagte Kelly. »Man müsste ein Zehntel der gesamten Sonnenmasse in Energie umwandeln, um eine Warp-Blase von dieser Größe zu erschaffen.«
    »Nicht sonderlich praktikabel«, sagte Liu. »Nachdem wir uns jahrelang ausführlich mit diesem Konzept beschäftigt haben, bleibt das unser fundamentales Problem. Wir besitzen einfach nicht die Energiequellen, um eine Warp-Blase von der erforderlichen Größe erzeugen zu können.« Er strich die Gleichungen und Diagramme auf der Tafel mit einem großen roten Kreuz durch.
    Erneut ertappte Holle sich dabei, wie sie laut nachdachte. »Wenn dir die Antwort nicht gefällt, stellst du vielleicht die falsche Frage.«
    Liu drehte sich erneut zu ihr um.
    »Entschuldigung«, sagte sie. »Das sagt mein Dad immer.«
    »Und wie lautet dann die richtige Frage?«
    »Vielleicht: Wie groß ist die Warp-Blase, die wir erzeugen können ?«, schlug Zane leise vor.
    Liu dachte darüber nach. »Okay. Spielen wir’s mal durch. Bei welchem von Menschen beherrschbaren Ereignis wird am meisten Energie freigesetzt?«
    »Bei Atombombenexplosionen«, rief Thomas Windrup. »Oder genauer, bei der Explosion thermonuklearer Bomben.«
    »Richtig«, sagte Liu. »Und die allerstärkste Explosion war welche?«

    Schon klapperten sie wieder auf ihren Computern herum und gaben mit leiser Stimme Fragen in Suchmaschinen ein.
    Susan Frasier fand die Antwort. »30. Oktober 1961. Ein russischer Test. Siebenundfünfzig Megatonnen, gezündet in Nowaja Semlja.« Sie lächelte, stets freundlich, stets darum bemüht, alles richtig zu machen.
    »In Ordnung. Und wenn man diese Masse-Energie zur Erzeugung eines schwarzen Loches verwenden würde?«
    Sie brauchten eine Minute, um herauszufinden, wie man Energie, die in Tonnen TNT-Äquivalent gemessen wurde, in Joule umrechnete. Diesmal ließ Kelly es sich nicht nehmen, als Erste die richtige Antwort zu geben. »Sein Radius betrüge zehn hoch minus siebenundzwanzig Meter.«
    Liu sagte: »Nochmal …«
    »… in verständlichen Worten«, beendete Don den Satz für ihn. »Also, das wären acht Größenordnungen über der Planck-Länge, der kleinsten sinnvoll beschreibbaren Länge. Aber es wäre nur ein Tausendstel des Radius eines Neutrinos mit einer Energie von einem Megaelektronenvolt! Man bekäme nicht mal ein Neutrino da rein, geschweige denn ein Raumschiff!«
    Gedämpftes Lachen ertönte, und Zane errötete.
    Aber Liu stand nur schweigend da; seine Augen bewegten sich, als jagten sie einen schwer fassbaren Gedanken. »Ihr dürft gehen.« Er verließ abrupt den Raum.
    Murrend fingen die Schüler an, ihre Sachen einzupacken. »Jetzt schau, was du angerichtet hast«, sagte Don zu Holle. »So ist Liu immer, wenn ihm eine Idee kommt. Ich hoffe für dich, dass es eine gute ist, sonst reißt er dir den Kopf ab, weil du seine Zeit verschwendet hast. Komm. Ich zeige dir, wo man eine Limo kriegt.«

13
    Holle war erleichtert, als sie an diesem Abend nach Hause kam. Die Wohnung, die ihr Vater gemietet hatte, lag im selben Block wie der Tattered Cover Book Store; das Antiquariat gehörte noch immer zu den florierendsten Geschäften in Denver, weil niemand mehr neue Bücher druckte. Sie stellte ihre Schultasche in der Diele ab, holte sich ein Glas Wasser und ging ins große Wohnzimmer, wo im Wandfernseher gerade die aktuellen Nachrichten auf dem Kanal der Rocky Mountain News liefen.
    Patrick hörte sie nicht hereinkommen. Er saß auf dem Fußboden, den Rücken ans Sofa gelehnt, einen Arm über ein Kissen gelegt, in der anderen Hand ein Glas Mais-Whiskey. Die obersten Knöpfe seines Hemdes standen offen, er hatte die Schuhe ausgezogen, und seine schwarz bestrumpften Füße waren gekreuzt.
    Die Nachrichten waren allesamt schrecklich, wie Holle mit einem Blick auf den großen Mehrfachbildschirm sah. In Denver bereitete sich die Polizei auf eine weitere Randale-Nacht der Wanderarbeiter im City Park vor. Woanders

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