Die Letzte Arche
das Licht, weil man das Licht mitnimmt …«
Zane arbeitete bereits. Er blätterte in Notizen in seinem Laptop. Holle sorgte dafür, dass alles, was an der Tafel stand, in ihren Handheld heruntergeladen wurde, und machte sich Notizen neben Lius Diagrammen und Gleichungen. Überall um sie herum plauderten, diskutierten und scherzten die Schüler miteinander und scrollten durch scheinbar grundverschiedene Arbeiten. Das Ganze hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der meist ruhigen, eifrigen Lernatmosphäre, die sie von den Grundschulen in Denver gewohnt war.
»Die Warp-Blase als Transportsystem hat einige paradoxe Eigenschaften. Da das Schiff im Verhältnis zu den lokalen Landmarken stationär ist, gibt es keinen der Effekte, die wir mit der speziellen Relativität verbinden: keine Zeitdilatation, keine Lorentz-Fitzgerald-Kontraktion. Die Uhren an Bord des Schiffes laufen synchron mit denen am Startpunkt und sogar am Zielort. Und es wird keine Trägheitseffekte geben.«
»Was bedeutet das?«, fragte Holle im Flüsterton.
»Du würdest keine Beschleunigung spüren«, sagte Zane. »Im Verhältnis zu der Raumzeit, in die das Schiff eingebettet ist, bewegt es sich nicht. Du wirst also nicht an der Rückwand des Cockpits zermatscht, wenn du den Warp-Antrieb einschaltest.«
»Es gibt allerdings Probleme mit der Steuerung, denn man läuft Gefahr, jedes zwecks Manipulation der Blase vorausgeschickte Signal zu überholen. Deshalb wird man die Parameter der Bildung, Fortpflanzung und Auflösung der Blase et cetera bei jedem nicht ferngelenkten Flug wahrscheinlich vor dem Start von außen in den Bordcomputer laden; die Besatzung des Raumschiffs im Innern der Blase wird im Wesentlichen aus Passagieren bestehen.«
Joe und Mike brachen in stürmisches Gelächter über irgendeinen privaten Witz aus.
Holle beugte sich zu Zane hinüber. »Ist das hier immer so?«
»Wie denn?«
»Lärmig. Alle albern herum.«
Er zuckte die Achseln. »Es gibt keine Regeln. Sie legen einem das Material vor und erwarten, dass man daraus schlau wird, so gut man kann.«
»Und wenn du damit nicht klarkommst« – der Junge neben Kelly drehte sich nach hinten – »kannst du wieder auf die Kinderschule gehen und mit Plastikklötzchen spielen. Irgendwer steht immer bereit, um deinen Platz einzunehmen.« Er grinste. »Don Meisel. Wer, zum Teufel, bist du?«
Holle merkte, wie sie errötete, als sie ihm ihren Namen nannte. Kelly, die ein Jahr älter war als Holle, wuchs gerade zu einer hochgewachsenen, selbstbewussten Blondine heran – keine große Schönheit, aber eine Anführerin. Und dieser Don, dem Holle noch nie begegnet war, schien noch etwas älter zu sein.
Mit seinen blauen Augen und roten Haaren – eine kräftigerer Ton als Holles helles Rotblond – machte er den Eindruck, als fühlte er sich wohl in seiner Haut; er wirkte entspannt, lebhaft und furchtlos.
»Dein erster Tag?«, fragte Don.
»Ja«, sagte Holle. »Es ist toll.«
»Na, und ob. Ist das ein schottischer Akzent?«
»Ja, ich …«
»Bist du in der Relativität fit?«
Ihr Dad hatte das mit ihr durchgenommen. »Klar.«
»Die spezielle Relativität ist doch baby«, sagte Kelly. »Nicht mehr als der Satz des Pythagoras. Wie steht’s denn mit deinen Christoffelsymbolen?«
»Womit?«
Kelly und Don lachten nur und wandten sich ab.
»Die nehmen dich bloß auf den Arm«, sagte Zane. »Sie reden von der Tensorrechnung. Der Mathematik der allgemeinem Relativität. Mit der kann man beschreiben, wie sich die Raumzeit um eine Warp-Blase krümmt …« Er zeigte ihr ein paar von Lius Gleichungen. Sie erkannte Ableitungen, aber einige der Symbole waren mit hoch- und tiefgestellten Zeichen bestreut. » Das ist ein Tensor«, sagte Zane. »So was wie eine multidimensionale Verallgemeinerung eines Vektors, also einer Größe mit einem Betrag und einer Richtung …«
»Ich bin elf Jahre alt«, sagte sie. »Mein Dad hat mit mir gepaukt, seit ich sechs war, als er bei Arche Eins eingestiegen ist. Aber woher soll ich wissen, was Tenser sind …«
»Tensoren?« Er zuckte die Achseln. »Liu ist wirklich ein guter Lehrer, auch wenn er dir nie in die Augen schaut. Und wenn du nicht lernst …«
»Bin ich draußen. Ich weiß.«
»Ich helfe dir.«
»Danke«, sagte sie aufrichtig. »Also, was ist mit den beiden? Kelly und Don. Gehen die miteinander?«
Zane schaute nur verständnislos drein. Er antwortete nicht. Von solchen Sachen nahm Zane grundsätzlich keine Notiz.
»In der Grundschule war Kelly
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