Die Letzte Arche
Zuverlässigkeit
und niedrige Fehlerquoten sein. Und man muss wartungsfreundlich bauen und Wert auf Redundanz sowie auf robuste Komponenten legen. Alles Argumente gegen einige der schickeren Sachen, die ihr so auskocht. Nanotechnik. Sich eigenständig reproduzierende Maschinen. Autonome KIs, ein Schiff, das sich selbst steuern kann. Das sind Dinge, für die uns das Knowhow fehlt. Die jahrzehntelange Erfahrung mit Weltraumflügen gebietet, dass man Sachen benutzt, die nicht komplizierter sind als unbedingt nötig und die sich im Einsatz bewährt haben. Keine schicken, ungeprüften Technologien. Keine Zaubertricks.«
Das war natürlich ein direkter Seitenhieb gegen Zane, seinen Vater und sämtliche Bestrebungen zur Entwicklung eines Warp-Antriebs. Indirekt vertiefte Mel damit jedoch einen Riss in der Philosophie hinter dem gesamten Projekt.
Mittlerweile arbeiteten Testpiloten bei Nimrod mit. Wenn man im Jahr 2036 ein ehrgeiziger amerikanischen Flieger war, gab es eigentlich nur ein einziges interessantes Angebot, ein Projekt, bei dem man dabei sein musste, und das war Nimrod. Auf der neuen Abschussanlage bei Gunnison war sogar ein Teststart einer Ares-Trägerrakete durchgeführt worden, ein faszinierender, überraschender Anblick trotz der in weitem Abstand um das Gelände gezogenen Zäune, an die aufgebrachte IDPs das Gesicht pressten.
Doch wie als Reaktion auf diese ganze praktische Arbeit schwamm weiterhin ein ganzes Floß voller alternativer Konzepte zwischen den fantasievolleren Theoretikern hin und her. Vielleicht war das ganze Projekt von Anfang an in die falsche Richtung gegangen. Wenn man echte Menschen in den Weltraum transportierte, Wassersäcke mit klumpiger Füllung, würde der größte Teil der Schiffsmasse notwendigerweise für sanitäre
Anlagen draufgehen. Aber vielleicht gab es Möglichkeiten, Gewicht zu sparen. Kelly sprach sich mehrfach ganz offen dafür aus, nur Frauen und ein paar Eimer mit gefrorenem Sperma mitzunehmen. Noch besser, man konnte gefrorene Eizellen mitnehmen und die erste Kolonistengeneration von Maschinen großziehen lassen. All solche Pläne waren schließlich verworfen worden, zum Teil wegen mangelnder technischer Plausibilität, zum Teil auch, weil sie bei denjenigen, die das Schiff bauen mussten, eine gewisse Distanz erzeugten. Die Arche war eben nicht nur ein nüchternes Raumschiff, sondern auch ein Traumschiff; es war besser, ein einziges lebendiges Kind loszuschicken als eine Million tiefgefrorener Genies.
Dennoch ging die Diskussion weiter, und wenn Mel fertig war, würde Zane die Tatsache verteidigen müssen, dass schon das Grundkonzept auf mindestens einem technologischen Wunder beruhte, der Warp-Blase.
Noch während Mel sprach, bemerkte Zane, dass die Anführer miteinander tuschelten: Kelly Kenzie, der große, glamouröse Star des Kandidatenkorps, Wilson Argent, schnodderig, ungeduldig und rechthaberisch, die aufgeweckte, hoch konzentrierte Venus Jenning und die bescheidene, intelligente und loyale Holle Groundwater, der Wilson den Spitznamen ›die Maus‹ gegeben hatte – sogar die sanfte, mütterliche Susan Frasier. Zane hatte genug gehört, um zu wissen, was los war. Kelly und einige andere planten für diesen Tag, den fünfzigsten ihrer neuesten Isolationsübung, einen Ausbruch. Kellys schon vor Jahren entstandene Kerngruppe spielte immer und überall eine dominante Rolle. Früher einmal hätte auch Don Meisel dazugehört. Jetzt jedoch saß er in seinem tristen Polizeioverall distanziert abseits der anderen. Nicht zum ersten Mal war Don von seinen regulären Pflichten entbunden und in die Gruppe, aus der man
ihn in einem Willkürakt ausgeschlossen hatte, zurückbeordert worden, damit ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleistet war, ohne die Gruppendynamik durch Fremde zu stören.
Immer wenn sie ihre hübschen Köpfe auf diese Weise zusammensteckten, verspürte Zane so etwas wie eine tief sitzende Panik. Er blieb bei solchen Diskussionen stets außen vor. Oh, Holle kümmerte sich immer um ihn, seit ihrem ersten Tag an der Akademie, als Zane sich um sie gekümmert hatte. Aber das genügte nicht, um ihm Zugang zum zentralen sozialen Netzwerk dieses Haufens intelligenter, attraktiver, äußerst ehrgeiziger Sechzehn- bis Achtzehnjähriger zu verschaffen.
In der Außenwelt erging es ihm auch nicht viel besser. Sein Vater war zu tief in die Projektpolitik und die Tücken seiner Arbeit an der Antimaterie-Produktion verstrickt, um den pubertären Ängsten seines
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