Die Letzte Arche
geschlossen. Wie ihr seht, gibt es Verletzte – Zane hier mit gebrochenem Bein –, aber auch ein paar Tote. Man hat mir gesagt, dass ihr weitere Verletzungen improvisieren und generell im Gedächtnis behalten sollt, was für Blessuren ihr nach so einer Bruchlandung hättet.«
Kelly nickte. »Klingt vernünftig.« Eifrig wie immer beugte sie sich zu einem der Dummys hinab, schnitt mit einem Taschenmesser ein Stück vom Bein seines Schutzanzugs ab und band es sich als Schlinge um den Oberkörper, um einen gebrochenen Arm zu improvisieren.
»Das ist alles, was ich weiß«, sagte Don. »Ich bin nicht hier. Die Übung beginnt jetzt.«
»Anzugdichtigkeitstest«, sagte Kelly sofort. »Immer zu zweit.«
Sie hätte das gar nicht zu sagen brauchen; die Lebenden am Leben zu erhalten, hatte oberste Priorität. Sie bildeten rasch Zweiergruppen, Holle mit Mel, Kelly mit Matt. Susan, Venus und Zane arbeiteten zusammen; die beiden Frauen kauerten über Zane, der auf dem Boden lag.
Holle führte eine schnelle visuelle Inspektion von Mels Anzug durch, suchte nach sichtbaren Schäden und überprüfte sein Brustdisplay. Um die Sache realistischer zu machen, klatschte sie Dichtungsmaterial aus einer Tube in ihrer Beintasche auf einen nicht vorhandenen Riss in seinem Nacken und füllte sein Luftreinigergemisch mit einem Beutel aus seinem Rucksack auf, den sie in einen Schlitz auf seiner Brust warf. Mel machte bei ihr dasselbe; er tat so, als würde er ein vermutetes kleines Leck flicken, indem er einen Anzugarm knapp unter dem Ellbogen abband.
Kelly, die mit dem Arm in der Schlinge dastand, schaute sich um und vergewisserte sich, dass alle fertig waren. In solchen Situationen nahm sie ganz selbstverständlich die Führungsrolle ein. »Okay, in den nächsten zehn Sekunden wird also keiner mehr sterben. Kümmerst du dich um dieses Feuer, Matt? Und jetzt zu den Verletzten. Susan, schau doch mal, was du für Zane tun kannst, ja? Ich sehe da drüben unter diesem Deckenhaufen einen Erste-Hilfe-Kasten. Und wir schauen uns die anderen Opfer in den Trümmern an. Achtet auf etwaige Verletzungen, die ihr euch zuzieht.«
»Ja, Mama«, sagte Venus Jenning, und sie lachten.
Holle kraxelte in den »Trümmern« der Fähre herum. Sie musste den Flammennestern ausweichen und zuckte vor den scharfen Kanten zurück, die von den Designern der Übung kunstvoll positioniert worden zu sein schienen, um einen unvorsichtigen Arm oder ein unvorsichtiges Bein zu erwischen. Geplauder und gedämpftes Gelächter drangen an ihr Ohr, als die Kandidaten sich in diese neueste einer langen Reihe von Puzzle-Übungen vergruben. Aber sie fand die Übung seltsam unangenehm. Manchmal glaubte sie, mit einem Übermaß an Fantasie begabt zu sein. Sie konnte sich eine Szene wie diese
vorstellen, in den ersten paar Sekunden nach der Ankunft auf einer feindlichen Erde II, unter einem mit dunklen Wolken überzogenen, fremden Himmel, alle schwer geschockt, betroffen vom Verlust geliebter Gefährten, im Wissen, dass der Tod vielleicht nur noch Sekunden entfernt war, die Folge einer einzigen unvorsichtigen Handlung. Dann würde es keine solche muntere Zuversicht, keine leisen Scherze geben.
Sie stieß auf den Körper einer Frau, die mit dem Gesicht nach unten dalag, aufgespießt von einem Stück Metall, das ihren Bauch durchbohrt hatte. Holle überprüfte die Anzugmonitore der Frau, die größtenteils funktionierten, aber kein Lebenszeichen anzeigten. Sie zog ihren Überhandschuh aus, so dass ihre Hand nur noch in einem dünnen, hautengen Innenhandschuh mit feinen Pads an den Fingerspitzen steckte. Sie bohrte die Finger in einen Riss am Halsstück des Anzugs der Frau, spürte aber keinen Puls. Dann zog sie der Frau den Handschuh aus und versuchte, an ihrem Handgelenk einen Puls zu ertasten.
Sie trat zurück und versuchte, die Frau auf den Rücken zu drehen. Der »Körper« war schwerer als erwartet; vielleicht hatte man ihn zwecks Simulierung der angeblich höheren Schwerkraft mit Gewichten beschwert. Sie schob die Hände unter den Rumpf der Frau, streckte den Rücken und versuchte es erneut. Diesmal rollte die Frau herum, und Holle musste zurückspringen, als das Metallstück, auf dem die Puppe aufgespießt war, nach oben schwang. Der verbogene Splitter aus der Hülle des Shuttles hatte sich geradewegs in einen offensichtlich schwangeren Bauch gebohrt. »Heilige Scheiße.« Eine Sekunde lang spürte sie, wie es ihr den Hals zuschnürte; eine ekelhaft schmeckende Flüssigkeit
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