Die Letzte Arche
auf das Auswahlverfahren konzentriert. Sie schaute Don kein einziges Mal nach.
Zane schenkte all dem keinerlei Aufmerksamkeit. Mit seinem schmächtigen Körper in der leuchtend bunten Lycra-Uniform wirkte er unbeholfen und irgendwie losgelöst, als wäre er sich der Vorgänge um ihn herum kaum bewusst – als wäre ihm die Bedeutung dieses Augenblicks, der sein ganzes Leben prägen konnte, gar nicht richtig klar.
Sie näherten sich der Selektionsmaschine, und die Schlange vor ihnen wurde kürzer. Sie gehörten alle zur nächsten Zehnergruppe, die nach vorn gerufen wurde und vor Gordo Alonzo Aufstellung nahm. Holle bemerkte einen Bewaffneten hinter Gordo und einen weiteren bei der Maschine, die alles schweigend beobachteten. Hinter ihnen standen hochrangige Mitarbeiter des Projekts wie Edward Kenzie und Liu Zeng. Holle schaute sich um. Von ihrem Vater war immer noch nichts zu sehen.
Gordo trat vor sie hin, die Uniform akkurat gebügelt, die Hände gefaltet. »Okay, Leute, auf zur nächsten Runde. Indem ihr hier steht, bekundet ihr eure Bereitschaft, auf der Arche zu dienen. Ja? Jetzt werden wir sehen, ob ihr ausgewählt worden seid.
Ihr tretet der Reihe nach vor und legt die rechte Hand auf dieses Feld.« Er zeigte es ihnen. »Wenn die Maschine sich eurer Identität nicht sicher ist, werdet ihr einen Stich im Daumen spüren. Eine Blutprobe. Okay? Und wenn ihr auf der Liste steht, bekommt ihr eine Marke.« Er hielt eine goldfarbene Münze hoch.
»So eine. Nummer eins bis achtzig. Verliert sie nicht. Wirkt irgendwie primitiv, ich weiß, aber sobald die Marken ausgegeben sind, habt ihr eure Eintrittskarte für die Arche, komme, was da wolle, selbst wenn wir gehackt werden, wenn die Systeme abstürzen oder was auch immer. Aber falls ihr keine Marke bekommt, seid ihr nicht ausgewählt worden, und wir bitten euch, weiterzugehen.« Der bewaffnete Soldat hinter ihm versteifte sich, das Gewehr im Arm. »Wer ist der Erste?«
Zane trat vor. Er legte die Handfläche an die Stelle, die man ihnen gezeigt hatte, die Maschine drehte sich und spuckte eine Marke aus. Gordo gab sie Zane, der die Hand darum schloss, ohne sie sich anzusehen, und weiterging.
Auch Wilson und Venus kamen problemlos durch. Venus zitterte; sie wirkte ungeheuer erleichtert, es geschafft zu haben, und drückte die Marke an die Brust.
Als Nächste war Kelly an der Reihe. Sie trat mit selbstsicheren Schritten vor. Gordo gab ihr die Marke, und sie reckte sie in die Höhe und stieß einen Jubelschrei aus, als hätte sie eine olympische Medaille gewonnen. Ihr Vater, Edward, klatschte mit seinen leberfleckigen Händen. Holle fand es unglaublich, wie Kelly sich benahm.
Der Junge von der Army, Morell, kam als Nächster. Er zitterte sichtlich. Gordo musste ihm zeigen, wohin er die Hand legen sollte; der Junge wischte sie sich am Hosenbein ab und streckte sie nervös vor. Aber die Maschine warf eine Münze für ihn aus; er nahm sie und ging rasch weiter.
»Ich glaub’s nicht, verdammt nochmal«, sagte Mel. Er klopfte Holle auf die Schulter. »Jetzt du, Schatz. Wir sehen uns auf der anderen Seite.«
Holle trat allein vor. Auf einmal war sie nervös, ihr Herz klopfte wie wild, und sie fühlte sich irgendwie ganz leicht. Sie
war sich der Menschen um sich herum bewusst: Gordo, der sie beobachtete, der Wachposten an seiner Seite, Kelly und die anderen erfolgreichen Kandidaten, die auf sie warteten, Mel hinter ihr. Es war so, wie Kelly gesagt hatte. Ihr Leben lang hatte sie sich auf diese Mission vorbereitet. Sie würde nie erfahren, wie viel sie dafür geopfert hatte, was für eine Kindheit sie sonst vielleicht gehabt hätte. Und alles schnurrte auf diesen einen Moment zusammen, auf eine Entscheidung, getroffen von einem ungreifbaren Expertensystem, das von Gordo und den Sozialingenieuren ausgeheckt worden war.
Es hatte keinen Sinn zu zögern. Sie klatschte die flache Hand auf das Feld. Es war schmierig vom Schweiß ihrer Vorgänger. Die Maschine drehte sich. Eine Marke klapperte in den Schlitz. Sie sah sie eine lange Sekunde nur an; sie konnte es kaum glauben. Dann gab Gordo ihr die Marke, und sie umklammerte sie fest, während sie zu Kelly und den anderen hinüberging. Niemand klopfte ihr auf den Rücken, niemand umarmte sie – niemand grinste, außer Kelly. Die Situation war nicht danach. Der kleine Morell stand einfach nur zitternd da; vielleicht machte es ihm mehr Angst, dass er es geschafft hatte, als wenn er durchgefallen wäre.
Mel ging zu der Maschine.
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