Die Letzte Arche
er die ganze Sache als heilige Mission verkleidet hat. Ist wohl auch nötig in diesen Zeiten.«
Holle interessierte sich nicht für Peery. »Dad. Weißt du schon, was passiert ist – das mit Mel?«
»Tut mir leid, mein Schatz. Du weißt, dass ich da nichts machen konnte. Wenn man in letzter Minute zwanzig Outsider dazuholt, muss man Platz schaffen, indem man zwanzig Insider rausschmeißt.«
»Ohne Mel fliege ich nicht.«
Patrick legte ihr die Hand auf die Wange, so wie früher, als sie noch ganz klein gewesen war. »Du hast dich dein ganzes Leben lang darauf vorbereitet. Du musst fliegen. Tu’s für mich.«
»Und außerdem«, murmelte Edward Kenzie boshaft, »bist du ja schließlich hier. Ich sehe nicht, dass du Gordo deine Marke zurückgibst.«
Patrick fuhr ihn an: »Sie Arschloch, Edward …«
»Kann das nicht bis später warten?«, fiel Gordo ihm ins Wort. »Wir haben da ein dringendes Problem, Holle, bei dem wir deine Hilfe brauchen.«
Holle funkelte ihn an. »Ich werde Ihnen garantiert nicht helfen.«
Gordo seufzte und rieb sich das Gesicht. »Herrgott nochmal – Kinder! Kannst du nicht einfach noch eine Stunde lang so tun, Holle, als würdest du noch zu der Scheiß-Crew gehören?«
Liu Zheng sagte: »Von allen Kandidaten bist du die Einzige, mit der er sprechen will.«
»Wer?«
»Matt Weiss. Er wartet auf uns.«
Verwirrt ließ sie sich wegführen, während Kelly und die anderen ihr nachstarrten.
39
Matts Zelle war primitiv, eine Höhle in einem Betonblock, die Wände rau und unverputzt. Er hatte eine Chemietoilette, ein Waschbecken, einen Schrank mit Büchern, ein Bett, einen Fernseher. Aber es gab keine Fenster, kein natürliches Licht.
Matt saß auf seinem Bett, als Gordo die Tür öffnete. Liu und Gordo folgten Holle hinein; Patrick blieb draußen.
Matt stand auf und wandte dabei den Blick ab, als schämte er sich. Er trug einen Overall aus einem groben Recyclingmaterial. »Hätte nicht gedacht, dass du kommst«, sagte er zu Holle. »Ich weiß, ich habe gesagt, dass ich mit dir reden würde, wenn du kämst, aber …«
Sie rang sich ein Lächeln ab. »Hätte auch nicht gedacht, dass ich hierherkommen würde.« Sie wusste immer noch nicht, was die drei von ihr wollten. Sie setzte sich aufs Bett, und Matt nahm neben ihr Platz. Liu Zheng setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum, einen harten Plastikstuhl mit senkrechter Lehne, und Gordo lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand.
»Tut mir leid, dass es hier drin so stinkt«, sagte Matt. »Ich dusche alle drei Tage. Aber die Zelle ist nun mal winzig.«
»In ein paar Wochen wird die ganze Arche wahrscheinlich genauso stinken.«
»Vielleicht. Ich werd’s nie erfahren, oder? Du hast bestimmt nicht gewusst, dass es auf dem Startgelände ein Gefängnis gibt.«
Sie zuckte die Achseln. »Überrascht mich nicht. Das ganze Gelände ist jetzt so was wie ein Gefängnis. Es wimmelt nur so von Cops, Soldaten und Nationalgardisten. Sie halten dich hier fest, seit …«
»Seit ich den Mord an Harry gestanden habe, ja.«
»Wie wär’s mit einem Prozess?« Sie hob den Blick zu Gordo.
»Wir haben eine Menge zu tun«, sagte Gordo. »Prozessvorbereitungen stehen da nicht gerade an oberster Stelle.«
»Ich will keinen Prozess«, erklärte Matt mit fester Stimme. »Wozu sollte das gut sein? Das Ergebnis wäre doch dasselbe.«
Holle hob die Schultern. »Okay. Aber wie geht’s jetzt weiter? Sie werden dich von hier wegbringen, nehme ich an.« In dieser Zelle waren sie nicht mehr als vierhundert Meter von der Orion entfernt.
Liu Zheng beugte sich vor. »Darüber müssen wir mit Ihnen sprechen, Matt. Wir brauchen Freiwillige.«
»Freiwillige?«
»Sehen Sie …« Liu zeigte nach oben und nach draußen, ungefähr dorthin, wo die Arche stand. »Sie wissen ja, wenn sich der Vogel in die Lüfte erhebt, wird im Umkreis von mehreren Hundert Metern um die Startrampe herum alles zerstört werden. Die Zone wird dem Erdboden gleichgemacht werden, ebenso wie ein großer Teil des Hinterlands …«
»Ich weiß, ich weiß. Nichts, was sich in der Nähe der Orion befindet, wird den Start überstehen. Und?«
»Aber jemand muss ›in der Nähe‹ bleiben«, sagte Gordo. »Bis zum Ende, bis zu dem Moment, wenn diese Kanonen anfangen, ihre thermonuklearen Geschosse durch die Prallplatte nach unten zu spucken.«
Liu Zheng seufzte. »Die Arche ist eine experimentelle Maschine, Matt. Es ist ein makabrer Witz, dass wir bis zu dem Moment,
in dem sie abhebt, weiter
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