Die Letzte Arche
überzogen die Wände, und er wand sich schlangenartig hierhin und dorthin, um den Schaden durch einen Granattreffer zu vermindern, der einen geraden Graben leerfegen würde. Die Verteidigung des Startgeländes der Arche an diesem letzten Tag war über Monate und Jahre hinweg geplant worden.
Mel hörte ein tiefes, zweifaches Rattern. Er schaute nach Westen und sah das unverkennbare Profil eines Chinook-Hubschraubers emporsteigen, riesig und hässlich. Mit seinen kreisenden Doppelrotoren zeichnete er sich als Silhouette gegen den dunkler werdenden Himmel ab. Er strich im Tiefflug über den
Boden hinweg, und die Geschütze in seiner Nase spuckten sichtbares Feuer in die Gräben.
»Der ist nicht von uns«, rief Don.
Mit Donnergetöse kamen zwei Flugzeuge angebraust; sie flogen von Norden nach Süden und schossen kreischend über den Chinook hinweg. Mel, auf Air-Force-Basen aufgewachsen, war ziemlich sicher, dass es F-35 waren, Lightnings. Alle duckten sich; die Maschinen verbreiteten einen gewaltigen, einschüchternden, furchteinflößenden Lärm. Aber sie schossen nicht; vielleicht hatten sie zu wenig Munition. Er brüllte: »Woher, zum Teufel, haben die einen Chinook?«
»Irgendeine abtrünnige Gruppe in der Army oder der Air Force. Vielleicht sind’s auch die Mormonen. Ich hab ja gesagt, es ist das pure Chaos …«
Ein dumpfes Krachen war zu hören.
»Mörser!«
»Runter!«
Die Granate kam in hohem Bogen heran. Mel spürte Dons Hand in seinem Genick; er wurde mit dem Gesicht nach unten auf eine zerrissene Plastikplane gedrückt. Die Granate flog über sie hinweg und explodierte. Der Boden erbebte.
Mel stand vorsichtig auf. »Jemand hat sich einen Mörser beschafft. «
»Ja«, sagte Don leise. »Und jetzt haben sie die richtige Schussweite. «
Der Offizier, der sie anführte, zeigte auf ein paar Männer. »Du, du und ihr beiden – schaltet diesen verdammten Mörser aus. Die anderen folgen mir.«
»Das sind wir«, sagte Don. Die anderen beiden, die der Offizier ausgesucht hatte, waren bereits über die Grabenwand geklettert und arbeiteten sich westwärts vor, dorthin, woher die
Mörsergranate gekommen war. Don kroch hinter ihnen nach oben und hinaus.
Mel folgte ihm, ohne lange nachzudenken. Er sprang über den Grabenrand und warf sich in den Dreck, robbte, so schnell es ging, hinter den drei anderen her, um nicht zurückzubleiben, kroch im Schlamm auf die Mörserstellung zu. Das tun wir für euch, Holle, dachte er. Wir tun das alles für euch.
Die anderen gelangten zu der Mörsergrube, bevor Mel sie einholen konnte, und griffen sie an. Mel hörte das Krachen einer Granate, Schreie, und dann ein blutiges Gurgeln.
Als er bei der Grube ankam, kletterte Don bereits hinein. Der Mörser selbst sah veraltet aus; er war zerstört, aber daneben lag ein Haufen Granaten, deren Bergung sich zu lohnen schien. Don und die anderen wühlten darin herum. Es stank nach Blut und verbranntem Fleisch, wie in einer Metzgerei. Mel sah, dass zwei Personen in der Grube gewesen waren. Die eine, ein Mann, war von der Granate, die den Mörser zerstört hatte, in Stücke gerissen worden; seine Beine waren zerfetzt. Aber er hielt eine Pistole in der Hand, und Blut lief ihm über die Brust. Offenbar hatte er Widerstand gegen die Angreifer geleistet.
Die andere Person in der Grube war eine Frau. Ihr Kleid bestand nur noch aus Fetzen, und sie war blutüberströmt. Sie hielt ein Baby in den Armen, sah Mel erstaunt. Der kleine Junge, nicht mehr als ein paar Monate alt, war in eine schmutzige Decke gehüllt. Er war wach, schien jedoch zu benommen zu sein, um zu weinen. Als die Mutter Mel sah, hielt sie ihm das Baby entgegen und taumelte vorwärts. »Bitte …«
Einer der Soldaten fällte sie mit einem einzigen Schuss, und sie blieb mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem zerklüfteten Boden liegen, ihr Rücken, wo die Kugel ausgetreten war, ein blutiges Bild der Zerstörung.
Von oben brach Triebwerkslärm über sie herein.
»Runter!«, schrie Don.
Mel warf sich flach auf den Boden. Er riss der Mutter das Baby aus den Armen, versuchte es unter seiner Panzerweste an sich zu drücken und zog sich den Helm tief ins Gesicht. Das Getöse über ihnen wurde lauter, und alles um ihn herum wurde in helles Licht getaucht. Er riskierte einen Blick nach oben. Der Chinook stand direkt über ihnen, kaum sichtbar hinter seinem grellen Scheinwerferlicht. Mel glaubte, Gestalten in einer offenen Luke zu sehen, die mit einer panzerfaustartigen
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