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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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wundert mich ein bisschen, dass nicht nur meine Mum und Gran einem wegen irgendwelcher Sachen, die nichts mit einem zu tun haben, ein schlechtes Gewissen machen. Allem Anschein nach tun das alle Frauen. Danny verdreht die Augen und sagt: »Vielen Dank auch.«
    »Was ist mit mir passiert?«, frage ich, damit sie nicht völlig vergessen, wieso wir uns eigentlich über das alles unterhalten.
    »Ach, du warst wirklich süß, absolut hinreißend«, erwidert Helen. »Wir sind mit dir zum Arzt gefahren, und er hat uns gezeigt, wie wir dich füttern sollen, damit du wieder zunimmst. Ich musste für dich kochen und dir eine ganze Palette unterschiedlicher Nahrung anbieten. Zu Anfang warst du sehr still und hast natürlich Nicki vermisst,und Danny auch. Du hast nicht geweint, was für ein Kleinkind eigenartig war, du warst eher in dich gekehrt. Traurig. Aber dann hast du dich an uns gewöhnt. Patrick war gerade in Pension gegangen und hat den Löwenanteil übernommen. Er ist mit dir nach Hampstead Heath spazieren gegangen und hat versucht, dir Französisch beizubringen. Er hat dich sehr geliebt, und es war entzückend zu sehen, wie gut ihr euch verstanden habt.«
    »Er hatte mehr Zeit für dich als für uns damals«, sagt mein Dad, aber Helen schüttelt energisch den Kopf und sagt: »Das ist nicht fair, Danny. Er hat immer sehr viel gearbeitet.«
    »Wo bist du hingegangen?«, frage ich ihn.
    »Zuerst nach Amsterdam. Dann zurück nach England, wo ich bei Freunden gewohnt habe. Ich bin viel umhergezogen, habe Festivals besucht … dann haben wir mit unserer Band angefangen. Um ehrlich zu sein, sind viele dieser Erinnerungen ein bisschen verschwommen.«
    »Deine Mum wurde aus dem Krankenhaus entlassen«, sagt Helen, »und Julie kam zu uns. Sie hat verlangt, dass wir dich herausgeben. Wir haben uns große Sorgen gemacht und nicht gewusst, was wir machen sollten. Wir waren uns wegen Nickis Zustand nicht im Klaren, wussten nicht, ob sie in der Lage war, sich um dich zu kümmern. Danny war nicht hier, um für seine Rechte zu kämpfen. Patrick sprach davon, sich um das Sorgerecht zu bemühen. Aber Julie meinte, dass es Nicki das Herz brechen würde, wenn sie dich nicht wiederbekäme. Siehat versprochen, dass sie dich öfters zu uns bringen würden. Also ließen wir dich mit ihr ziehen.
    Dann haben sie uns kaltgestellt. Ich habe Julie immer wieder angerufen und gefragt, wann wir dich besuchen können, aber sie hat immer nur gesagt, dass Nicki nichts davon wissen wolle, dass sie Nickis Gesundheit nicht aufs Spiel setzen wolle und dass deine Mutter uns auf gar keinen Fall erlauben würde, in deine Nähe zu kommen. Letztendlich hat Julie sich eine andere Telefonnummer geben lassen und ist umgezogen. Wir hatten dich verloren. Gott sei Dank hat uns Louise ab und zu besucht und von dir erzählt und uns Fotos mitgebracht. Ich weiß nicht, wie es Patrick ergangen ist, aber mich hat das aufrechterhalten. Hat sie dir nicht auch Fotos geschickt, Danny?«
    »Ich habe selber welche gemacht«, antwortet er. »Ich habe mich vor deine Schule gesetzt, Ty, und mit einem Teleobjektiv Bilder von dir gemacht. Wie ein Paparazzo. Ich wollte immer zu dir gehen und dich ansprechen, hab mich dann aber doch nie getraut.«
    »Du hast mir nachspioniert?«
    »Mir ist nichts anderes übrig geblieben«, antwortet er.
    Ich bin nicht gerade beeindruckt. Sogar Gran scheint mich ziemlich mies behandelt zu haben. Andererseits sollte man die Leute vielleicht nicht schon verurteilen, ehe man ihre Version der Geschichte gehört hat.
    Jedenfalls habe ich jetzt einen tierischen Hunger, was unter diesen Umständen wahrscheinlich ein bisschen seltsam klingt.
    Ich stehe auf, wecke Meg, die sofort aufspringt und bellt und Dad ihren Schwanz direkt ins Gesicht wedelt.
    »Ähm … danke, dass ihr mir das erzählt habt«, sage ich.
    »Vielleicht erwähnst du Nicki gegenüber nichts davon«, sagt mein Dad, während er und Helen sich ebenfalls erheben. Ich zucke die Achseln und sage: »Alles klar«, und dann: »Helen, können wir jetzt was essen?« Ich weiß nicht, warum sie weint, aber mein Dad drückt sie fest an sich, also gehe ich schon mal in die Küche, wo sich Archie gerade ein Mega-Truthahn-Sandwich macht, mit Majo, sauren Gurken und – seltsamerweise – Roter Bete. Ich klaue mir die Hälfte davon, dann sehen wir im Kühlschrank nach, ob noch ein Rest Christmaspudding da ist.
    Helen und mein Dad unterhalten sich immer noch im Wäscheraum – weiß Gott worüber –, also

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