Die letzte Aussage
richtig ernst genommen. Es war … Patrick hat nicht gut reagiert, das muss ich leider sagen. Und auch Julie war sauer auf Danny. Es war alles nicht einfach.«
Das hört sich wie ein schlimmer Albtraum an. Ich stelle mir die ganze Geschichte vor und tausche Claire und ihre Eltern gegen Mum und Gran aus, und auch Mr Lomax schwebt irgendwo herum. Gruselig. Lieber würde ich sterben. Mein Dad hätte einfach abhauen sollen, und zwar so schnell wie möglich. Eigentlich tun mir die beiden jetzt noch richtig leid.
»Als du zur Welt kamst, bestand kein Zweifel daran, dass Danny dein Vater war«, fährt sie fort. Offensichtlich war vorher doch daran gezweifelt worden. »Du hast genau wie meine Tochter Marina als Baby ausgesehen. Und vielleicht auch ein bisschen so wie ich.«
Uah. Dann habe ich am Anfang wohl wie ein Mädchen ausgesehen.
»Riesengroße blaue Augen«, sagt Helen. Ich reiße die Augen auf und sehe sie an. »Nein … meine Augen sind grün.«
»Bei kleinen Kindern wechselt die Farbe von Blau nach Grün erst sehr spät«, erwidert sie. »Marinas Augenfarbe hat sich erst mit sieben verändert. Jedenfalls bestand an Dannys Vaterschaft kein Zweifel. Nicki hat Schule und Baby auf die Reihe gekriegt. Wir haben Julie ein wenig mit Geld ausgeholfen, damit sie weniger arbeiten und sich mehr um dich kümmern konnte. Zu unserer Verwunderung hat sich Danny angestrengt und intensiv für sein Abi gepaukt. Er hat viel Zeit bei ihnen verbracht, aber es war nicht leicht. Julie war sehr feindselig ihm gegenüber. Manchmal hat Nicki dich mit zu uns gebracht, aber sie war immer sehr empfindlich, sehr reizbar, und ist wegenjeder Kleinigkeit an die Decke gegangen. Eben waren sie und Danny noch ein Herz und eine Seele, im nächsten Augenblick haben sie sich fürchterlich gestritten. Es war damals für alle sehr schwierig.«
Meine Mum hat sich nicht sehr verändert.
»Danny hat die Schule abgeschlossen. Nicki hat ihren Realschulabschluss gemacht. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, aber sie hat sogar ziemlich gute Noten erzielt. Natürlich hätte sie sonst noch viel besser abgeschnitten, Ty, denn sie war wirklich sehr begabt. Sie haben viel Zeit miteinander verbracht. Du warst ein ausgesprochen liebes Baby, wirklich ein braver Junge. Alle haben dich bewundert. Wir wussten nicht, was passieren sollte, wenn Danny zur Uni gehen würde. Wir dachten, vielleicht nimmt er ein Jahr frei, wechselt an ein College in London. Dann hat er seine Noten bekommen. Er wurde in Manchester angenommen. Und die beiden verkündeten, dass sie gemeinsam dorthin ziehen wollten.
Wir waren alle entsetzt. Patrick hat versucht, Danny mit Vernunft beizukommen – ihn zu überreden, dass er entweder allein nach Manchester gehen oder ein Jahr damit warten sollte, ein bisschen Geld verdienen und sich dann an der Uni in London bewerben. Aber Danny kann sehr stur sein. Er ließ sich nicht davon abbringen. Wie sich herausstellte, konnte Nicki es kaum erwarten, ihrer Mutter zu entkommen. Julie hatte ihr das Leben wirklich schwer gemacht. Danny war wahrscheinlich froh, von uns wegzukommen, wer weiß? Sie sagten, dass sie zusammenbleiben und eine Familie sein wollten. Er hatte sichmit der Univerwaltung in Verbindung gesetzt und dafür gesorgt, dass sie eine Einzimmerwohnung bekamen. Sie ließen sich absolut nicht reinreden. Dann sind sie mit dir nach Manchester. Patrick hat sie hingefahren. Für Julie oder mich war kein Platz im Auto, wegen der ganzen Babyausstattung. Ich kann mich noch gut an jenen Tag erinnern, wie aufgeregt sie waren, wie Patrick war … Als ihr alle weg wart, habe ich mich hingesetzt und geheult, Ty. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie die beiden das alles machen wollten.«
Ich höre Stimmen. Leute in der Küche. Leute, die hin und her gehen. Archies Stimme, die sagt: »Wo ist Ty? Wo ist er hin?« Ich will Helen nicht unterbrechen. Ich will wissen, wie die Geschichte weitergeht.
»Sie sind nicht gut damit klargekommen, oder?«, frage ich. Dann hustet jemand. Jemand ist mit uns im Raum. Wir blicken beide auf.
»Jetzt würde ich gerne weitererzählen«, sagt mein Dad.
Kapitel 40
Danny
»Geh weg!«, sage ich. Helen denkt, ich meine sie. »Na gut, wie du willst«, erwidert sie, und ich muss sie am Ärmel festhalten, damit sie nicht aufsteht.
»Nein, du sollst bleiben. Du sollst mir mehr erzählen. Aber ihn will ich nicht hier haben. Er hat mir nichts erzählt. Überhaupt nichts. Du musst mir alles erzählen, und zwar die
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