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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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schlägt Archie vor, dass wir uns den Pudding mitnehmen und uns oben den nächsten Herrn der Ringe anschauen, aber Patrick erwischt uns auf der Treppe und besteht darauf, dass ich wieder runterkomme und mich den anderen Gästen vorstelle.
    So lerne ich also meine anderen Tanten und Onkel kennen, die alle dasitzen und sich große Mühe geben, nicht so auszusehen, als hätten sie die ganze Zeit fieberhaft überlegt, was zum Teufel wohl dort im Wäscheraum vor sich geht.
    Marina ist da, die bei der BBC arbeitet und mir kein bisschen ähnlich sieht, zum Glück, denn sie ist eine Frau, hat dunkle Haare und eine gruselige Brille mit dunklerFassung und ein ziemlich kantiges Gesicht. Das ist diejenige, die ihre Kinder Ludo und Atticus genannt hat, was so einiges über sie verrät, und sie hat auch einen Mann namens Robin, mit grauen Haaren und grauem Bart, mit Brille und einem unmöglichen Pullover.
    Dann Elizabeth, die an der Uni in London Philosophie unterrichtet, und ihr Mann George, der Journalist ist. Zum Glück haben sie zwei winzige Töchter, Mia und Evie, die jede Menge Krach machen, sodass mir niemand Fragen stellt und ich einfach nur lächeln und eigentlich nicht viel sagen muss. Tess, die in einem Lehnsessel sitzt und Country Life liest, ignoriere ich völlig. Sie sieht aus, als würde sie sich furchtbar langweilen.
    Dann verziehen Archie und ich uns nach oben. Nachdem wir Ludo und Atticus vom Bett geworfen haben, tauschen wir Shrek III gegen den nächsten Herrn der Ringe aus – Archie gibt eine tolle Einlage als Gollum und zischt drohend »Mein Schatzzzz!« –, aber wir erklären ihnen ganz freundlich, dass Shrek III der letzte Mist ist und dass sie auf die letzten zwanzig Minuten ohne Weiteres verzichten könnten. Dann sehen sie unsere Schüsseln mit dem Christmaspudding und flitzen nach unten, um sich auch welchen zu holen. Natürlich sagen wir ihnen nicht, dass wir ihn alle gemacht haben.
    Jetzt bin ich mit Archie allein, und ich glaube, ich habe ihm fast verziehen, dass er Zoe alles verraten hat, denn, mal ehrlich, das mit mir und Claire hatte ich vorher schon ganz allein total vermasselt. Zoe ist ein nettes Mädchen, das wahrscheinlich nichts weitertratscht.
    »Worüber habt ihr denn die ganze Zeit gequatscht?«, fragt Archie mit vollem Mund.
    »Ach, über alles Mögliche. Davon, als ich noch klein war und bei Patrick und Helen gewohnt habe.«
    »Ach, schon wieder dieser Scheiß!« Er verdreht die Augen. »Davon haben sie gestern schon ständig gequasselt, meine Mum und ihre Schwestern. So was von langweilig. Wie deine Mama ins Krankenhaus musste und dein Dad abgehauen ist, blablabla, quakquakquak. Es war wie eine Folge von diesem elenden Holby City. Ich weiß nicht, wieso die alle immer wieder über dich quatschen müssen, dabei bin ich doch derjenige, der im Internat leiden muss …«
    Dieser Archie ist dumm und eine echte Nervensäge, aber manchmal mag ich ihn trotzdem gerne und finde ihn sogar ziemlich lustig, deshalb lache ich ein bisschen und halte mir den Bauch, als Patrick reinkommt. Er hat uns gesucht.
    »Alles klar bei euch?«, erkundigt er sich. Er steht in der Tür und zieht misstrauisch die buschigen Augenbrauen zusammen, worüber wir wieder laut lachen müssen. »Na, dann ist’s ja gut«, sagt er. »Schön. Komm doch noch mal runter, Ty, und verabschiede dich von Danny und äh …«
    »Tess«, sage ich und folge ihm widerstrebend die Treppe hinunter. Tess balanciert auf einem Bein und zieht sich ihre hochhackigen Schuhe an. Danny schlüpft in eine Lederjacke. Allmählich habe ich den Eindruck, dass seine Klamotten gar nicht so schäbig sind, wie sie aussehen. Kann gut sein, dass es sich um lauter Designer-Kram handelt.
    »He«, sagt er. »Alles in Ordnung? Wir sehen uns bald wieder. Pass auf dich auf.« Und ehe ich ihm ausweichen kann, umarmt er mich etwas unbeholfen und drückt mein Gesicht an seine kalte Lederjacke. »Ich muss wieder nach New York«, fügt er hinzu. »Arbeit … und die Polizei meint, dass ich außer Landes sicherer bin.«
    »Wie lange denn?«, frage ich.
    Er zuckt die Achseln. »Vier Wochen, vielleicht länger.«
    Ich bin ziemlich schockiert, dass ich deshalb ein bisschen enttäuscht bin. Er fährt mir durch die Haare. »Du wirst mir fehlen«, sagt er.
    »Tschüss, Dad«, sage ich, und zwar so, dass Tess merkt, dass ich sie nicht damit meine. Sie ist sowieso damit beschäftigt, Patrick und Helen vollzuquatschen.
    Dann sind sie weg, und ich gehe gerade wieder nach oben zu

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