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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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ich diese Mail überhaupt geschrieben habe. Dass ich es, wie auch immer, zugelassen habe, dass Alistair erschossen wurde. Und dass ich alles dermaßen verbockt habe und nicht dort bleiben konnte, wo ich war, und nicht mehr Joe sein kann und mich um Claire kümmern. Ich drücke auf Antworten und fange an zu schreiben:
    Claire, mir geht ’ s gut, du musst dir keine Sorgen wegen mir machen und ich kann alles erklären, ich will dich nur wiedersehen.
    »Dir ist doch hoffentlich klar, dass das mein Stuhl ist und mein Computer«, sagt eine nüchterne Stimme aus Richtung der Tür. Verdammt. Patrick ist schon wieder zurück und Meg steht bei Fuß.
    »Bin gleich fertig«, sage ich und tippe, so schnell ich kann: tu dir nix sprich mit jmd, bitte Claire vll kann ich anrufen –
    »Das reicht!«, poltert Patrick, ich drücke auf Senden und logge mich aus, während er schon auf mich zumarschiert und sich hinter meinem Stuhl aufbaut. Er zieht die Augenbrauen so mürrisch zusammen, dass sie aussehen wie zwei Hamster, die sich bei einem Gewitter eng aneinanderkuscheln.
    »Ich habe ja per se nichts dagegen, dass du meinen Computer benutzt«, sagt er, »aber ich finde, du solltest vorher fragen und nicht warten, bis ich weg bin, und dann einfach loslegen.«
    Was hat er denn für ein Problem? Es ist doch bloß einComputer, Herrgott noch mal! Er kann doch froh sein, dass ich gewartet habe, bis er weg war. Wieso muss er so wütend und so fies und so groß sein?
    »Ich dachte mir, es macht dir nichts aus.«
    »Kein Benehmen«, sagt er. »Wir müssen für die Zeit, die du hier verbringst, ein paar Regeln aufstellen.«
    Ich kann mich kaum konzentrieren, während er immer weiter auf mich einredet, weil ich mir Sorgen um Claire mache. Er redet davon, dass man sich bemühen sollte … um Erlaubnis fragen … die Privatsphäre anderer respektieren … meine eigene Sicherheit … und ich überlege mir fieberhaft, wie ich Claires Nummer herausfinden kann. Joes Handy musste ich abgeben, nachdem ich nicht mehr Joe war. Wie kann ich sie jetzt bloß anrufen?
    Es gibt Nummern, die man anrufen kann, die einem dann die gewünschte Telefonnummer geben. Das habe ich im Radio gehört. Aber ich habe nicht mal ein Handy.
    »Dann passiert das also nicht mehr?«, fragt Patrick und ich schüttele den Kopf und sage: »Nein … ich werde erst fragen …«, und er nickt und sagt: »Gut. Ich muss jetzt selbst an den Computer. Du hast bestimmt noch was anderes zu tun.«
    Ich gehe in die Küche und sehe im Wäscheraum nach, ob dort auf wundersame Weise neue Bügelwäsche aufgetaucht ist, aber nein, ich habe schon alles erledigt. Ich spritze Spülmittel auf einen Schwamm und putze die Arbeitsfläche in der Küche. Dann überlege ich, ob es zu früh ist, den Boden schon wieder zu wischen. Ich habe ihn erst vor einer Stunde gewischt, aber bestimmt ist derHund hier drin gewesen und hat alles mit Bakterien vollgesaut.
    Dann fällt mir auf, dass Helens Handtasche offen auf dem Küchentisch steht.
    Ich schleiche mich heran. Ich sehe ihr Handy, das mich blau aus der Tasche heraus anfunkelt. Ich will es haben. Ich ziehe es heraus, schließlich ist sie ja meine Großmutter. Gran hat nie etwas dabei gefunden, wenn ich mir ihre Sachen geliehen habe, und ich habe mir auch ab und zu Geld aus Mums Handtasche genommen – andernfalls wäre ich längst verhungert. Ich bin mir sicher, dass das in Ordnung geht, außerdem erfährt sie es sowieso nicht, weil ich nur mal schnell Claire anrufen will und das Handy dann wieder zurücklege. Das merkt sie überhaupt nicht. Außerdem ist es ein grundlegendes Menschenrecht, Zugang zu einem Telefon zu haben, oder nicht?
    Ich flitze rauf in mein Dachzimmer, schließe mich im Bad ein und verstecke mich hinter dem Duschvorhang. Hier kann mich niemand finden. Ich rufe die 11880-Nummer an und gebe Claires Adresse und Nachnamen durch. Dann kann ich vor Aufregung kaum atmen, als sie mir mitteilen, dass mein Anruf durchgestellt wird. Ich höre das Telefon klingeln und stelle mir vor, dass Claire es in ihrem dunklen Dachzimmer ebenfalls hört. Aber ich weiß ja, dass ihre Mum Claires Zimmer ins Erdgeschoss verlegt hat, nachdem sie herausgefunden hatten, dass sie sich ritzt.
    »Hallo?« Es ist Ellie, und ich überlege kurz, ob ich ihr sagen soll, dass ich es bin und mir einen ihrer aufmunterndenKommentare anhören soll. Dann fällt mir ein, wie sehr sie Alistair vermisst, und ich sage nur: »Kann ich mal bitte mit Claire sprechen?«
    »Wer spricht

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