Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
Vom Netzwerk:
oder nicht. Jetzt, wo ich ihn genauer betrachte, sieht er mir auch gar nicht mehr so ähnlich. Seine Augen sind blau, nicht grün – er muss dieser Außerirdische mit dem Spielzeugpferd auf Helens Fotos sein –, und seine Haare sind dunkelbraun, irgendwas zwischen Joes Schwarz und Tys Straßenköterblond.
    »Von wegen«, sage ich ganz ruhig und wie nebenbei. Dann setze ich mich auf mein Bett und stöpsele meinen iPod ein.
    Er glotzt mich total entrüstet an und poltert wieder die Treppen hinunter. Ich warte, bis er fast unten ist, dann folge ich ihm bis auf den Absatz, damit ich mitkriege, was unten vor sich geht.
    »Großmutter!«, ruft er. »Da ist ein Putzmann oben in meinem Zimmer, der in meinem Bett schläft.«
    Ich spähe die Treppe hinab und kann ein Stück ins Wohnzimmer schauen, wo Helen und Patrick sich mit einer großen, schlanken Frau mit Brille und buschigen braunen Haaren unterhalten. Das muss Mama Bär sein,obwohl es von Papa Bär keine Spur gibt. Patricks Gesicht ist direkt sehenswert: Seine Augenbrauen schießen nach oben wie zwei Hamster auf einem Trampolin, und sein Mund zuckt, als hätte er sauer eingelegte Zitronen gegessen. Ich muss richtig lachen und halte mir die Hände vor den Mund.
    Helen sieht unglaublich verlegen aus und sagt: »Archie, Liebling, wir unterhalten uns gerade mit deiner Mutter. Es freut mich, dass du Tyler kennengelernt hast, aber es gibt noch einiges zu erklären …«
    Archies Mum hebt ruckartig den Kopf und fragt: »Tyler? Tyler ist hier? Wieso das denn? Weiß Danny Bescheid?«
    »Noch nicht«, sagt Patrick, was ich ziemlich interessant finde.
    »Er will doch bestimmt …«, sagt sie, aber Patrick fällt ihr ins Wort: »Hör mal, Penelope, das ist eine ziemlich heikle Situation. Wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass Danny hier aufkreuzt und eine Riesenszene macht.«
    »Was geht hier eigentlich vor?«, fragt die Frau, und Patrick wirft einen Blick in Richtung Archie, der jetzt in irgendeiner Ecke einen Heidenlärm mit Meg veranstaltet und das ganze Gesicht vollgesabbert kriegt. Dann sagt Patrick: »Du kommst am besten mit in mein Arbeitszimmer, dort kann ich dir alles erklären.«
    Sie verschwinden, und ich höre, wie Helen mit Archie redet und ihm erklärt, dass ich kein Putzmann bin, sondern sein lange verschwundener Cousin – puh! –, und dass es doch bestimmt schön sei, wenn wir uns endlich alle kennenlernten. Sie kommt zur Treppe und ruft michrunter. Mir bleibt nichts anderes übrig, als ordnungsgemäß vorgestellt zu werden.
    »Archie wohnt womöglich eine Zeit lang hier bei uns«, sagt Helen. »Wäre das nicht nett?«
    »Oh. Hmm. Ist das okay?«, frage ich. Louise dürfte nicht sehr begeistert davon sein.
    »Und du musst umziehen«, sagt Archie, »denn da oben schlafe ich.«
    Ich werfe ihm einen fiesen, drohenden Blick zu, um bei ihm jegliche Hoffnung, dass er mich hier herumkommandieren kann, restlos zu vernichten. Aber es scheint nicht richtig zu funktionieren.
    »Großmutter, sag ihm, dass er machen muss, was ich sage«, tönt der Typ, und Helen sagt: »Ach, Ty, würde es dir etwas ausmachen? Das Etagenbett ist sehr bequem und Archie schläft sonst immer in dem Eisenbett.«
    Unglaublich. Sie lässt es ihm einfach so durchgehen, dass er mich aus meinem Bett verdrängt, ohne auch nur Bitte oder Danke zu sagen.
    »Von mir aus.« Ich zucke die Achseln und nehme mir vor, dem kleinen Archie schon bald beizubringen, was Respekt bedeutet. Erst dann wird mir klar, was Helens Worte bedeuten. Sie erwartet, dass wir uns ein Zimmer teilen.
    »Wie lange bleibt Archie hier?«, frage ich. Er besucht höchstwahrscheinlich irgendeine superschnieke Privatschule. Vielleicht ist er nur über die Ferien hier.
    »Also …«, sagt Helen und Archie reckt sein Kinn in die Luft und sagt: »Ich bin rausgeflogen und Ma muss jetzt ein neues Internat für mich finden.«
    »Du bist rausgeflogen? Warum denn?« Das ist beunruhigend, weil er dann noch ewig hierbleiben kann, aber auch ziemlich witzig. Wenn auch nicht für Helen, die ein bisschen bestürzt aussieht.
    »Ach, wegen verschiedener Sachen«, antwortet Archie.
    Wahrscheinlich ist es irgendwas Lächerliches, über das sich nur so ein blödes Internat aufregen kann. Vielleicht hat er eine nächtliche Party organisiert oder sich geweigert, seinem Schulsprecher Toast zu machen, oder er hat sich um fünf Uhr nachmittags nicht an die Ausgangssperre gehalten und in der Ortschaft Gummibärchen gekauft.
    Er sieht sofort, dass ich nicht

Weitere Kostenlose Bücher