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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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haben er und ich uns fast nur auf Französisch darüber unterhalten. Das war nicht nur ziemlich cool, sondern hat Archie plötzlich so was von abgemeldet. Obwohl der jedes Jahr zweimal in den Ferien nach Frankreich fährt, spricht er nicht annähernd so fließend wie ich. Patrick hat mir durch die Haare gestrubbelt und gesagt, er sei stolz auf mich. »Meine Mutter war Französin«, hat er gesagt. Aha,deshalb spricht er die Sprache so gut. »Sie würde sich sehr freuen, wenn sie hören könnte, wie gut du ihre Sprache sprichst.« Allmählich könnte man denken, dass er mich doch mag. Es ist alles ein bisschen verwirrend.
    Mein Dad hat sich derweil unten mit Helen unterhalten. Archie hat sie gehört, als er runtergegangen ist, um uns Kakao zu holen. Er hat nicht viel mitgekriegt, hat er mir später erzählt, nur wie mein Dad gesagt hat: »Glaub mir, Ma, das habe ich alles hinter mir gelassen.«
    Ich genehmige mir noch ein After Eight und überlege, ob ich lieber ich oder Harry Potter wäre. Ich glaube, lieber Harry Potter, weil man irgendwie weiß, dass am Ende alles gut ausgeht und er wenigstens zur Schule gehen und so coole Sachen wie Quidditch spielen kann. Außerdem würde ich gerne Schlangensprache können.
    Harry Potter wird oft gelobt von Leuten wie Dumbledore, während ich meistens angemeckert werde. Aber das liegt vielleicht daran, dass er so mutig ist und immer die richtigen Entscheidungen trifft, während ich ständig Angst habe und immer versuche, das Richtige zu tun, aber dann doch meistens alles vermassele.
    »Willst du wissen, wie man es heilt?«, fragt Archie und klickt sich durch weitere Seiten in den Millionen von Websites über posttraumatische Belastungsstörung.
    »Kann man es denn heilen?«
    »Wenn du schon erwachsen bist, kriegst du Glückspillen. Aber nicht, wenn du noch keine achtzehn bist. Hier steht, dass Sport hilft, und auch wenn man alles mit einem Psychologen bespricht. Aber du hast ja keinen Psychologen.Deshalb musst du dich eben mit mir unterhalten.«
    Claire , denke ich schwermütig. Claire, Claire. Wo bist du, Claire? Warum darf ich nicht mit dir sprechen?
    »Gibst du mir mal deinen Laptop?«, frage ich ihn.
    »Ja, aber nur, wenn du mir erzählst, was passiert ist. Es ist nicht fair. Alle wissen es und du weißt es offensichtlich auch, aber niemand will es mir sagen. Wenn es nicht der Krieg war, was dann?«
    Ich kann ihn ebenso gut aufklären. »Ich habe gesehen, wie jemand umgebracht wurde, und seitdem wollen mich irgendwelche Leute auch umbringen und sie hätten mich schon zweimal fast erschossen, und beim letzten Mal haben sie den Freund meiner Mum umgebracht. Kopfschuss. Alles war voller Blut.«
    Archie glotzt mich mit offenem Mund an und versucht herauszufinden, ob ich ihn wieder nur verarschen will. Ich nutze die Gelegenheit und schnappe mir den Laptop. Er hält ihn fest.
    »Du kannst mir nicht einfach so was erzählen. Du musst mir alles ausführlich erzählen. Sonst hilft es dir überhaupt nichts … dann wirst du nicht geheilt …«
    Ich fange an zu lachen, weil es so was von lächerlich ist zu glauben, dass es mir auch nur im Geringsten irgendetwas bringt, wenn ich mit Archie darüber rede. »Von mir aus. Ich erzähle dir noch ein bisschen mehr. Aber zuerst will ich meine Mails checken und dann brauche ich vielleicht mal dein Handy, klar?«
    »Klar.«
    »Und die unten erfahren nichts davon, klaaar?«
    »Klar.«
    »Gut.« Ich logge mich in meinen Mailaccount ein. Drei Nachrichten. Drei Nachrichten von Claire. Drei Nachrichten, in denen sie mir sagt, dass sie mich liebt? Oder drei Nachrichten, in denen sie mir sagt, dass ich sie im Stich gelassen habe, dass sie mich durchschaut hat, dass sie mich fallen lässt?
    Ich klicke die erste Mail an. Dann merke ich, dass mir Archie über die Schulter gafft.
    »Hau ab, Archie. Das hier ist Privatsache.«
    »Hast du ’ne Freundin?« Er hat die Augen weit aufgerissen. Ich weiß sofort, dass Archie es noch nicht allzu weit vom Startblock geschafft hat, was Mädchen angeht.
    Ich zucke die Schultern. »Ja. Sie heißt Claire.«
    »Cool … wie ist sie so? Ist sie in Ordnung? Habt ihr … du weißt schon …«
    »Sie ist absolut umwerfend, blonde Haare, blaue Augen, tolle Figur, echt sagenhaft … sie könnte Model sein.« Ich übertreibe ziemlich, aber da Archie Claire sowieso nie kennenlernen wird … Außerdem hat Claire wirklich strahlend blaue Augen, und wenn ich mal mit ihr shoppen gehen und sie ein bisschen beraten dürfte, würde der

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