Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
Vom Netzwerk:
Jedenfalls weiß ich, dass sie froh wäre, wenn sie dort vor fünfzehn Jahren vorbeigeschaut hätte.
    »Du siehst gar nicht mal so dick aus«, sage ich. Das ist für meine Mutter viel schlimmer als alles, was ich im Krankenhaus gebrüllt habe. Sie erschauert und sagt: »Das will ich doch verdammt noch mal hoffen.«
    Ich will sie fragen, warum sie sauer auf mich ist. Was habe ich ihrer Meinung nach getan? Ich mache den Mund auf, aber dann kommt nur eine wütende Flut von Fragen heraus: »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du schwanger bist? Warum ist Alistair überhaupt dort gewesen? Und was hast du hier zu suchen?«
    In einem Science-Fiction-Film wären Laserstrahlen aus ihren Augen geschossen und hätten sich in meine Brust gebohrt. In einem Horrorfilm hätte sie sich in einen Zombie verwandelt und Riesenmaden aus dem Mund gespien. Wäre ich Harry Potter, würde ich mich unter dem Tarnumhang verstecken oder mich in eine Spinne verwandeln.
    »Ich muss dir überhaupt nichts sagen«, zischt sie. »Ich hatte es nicht mal Alistair gesagt. Deshalb ist er dort gewesen. Deshalb ist er gestorben.«
    Ich bin viel mutiger als gedacht. »Gran hat es gewusst. Louise auch. Aber mir hast du es nicht gesagt. Und wieso hast du Alistair zu dir bestellt, wo du mir doch gesagt hast, dass ich Claire nie wiedersehen darf?«
    »Ich wusste nicht, ob ich es behalten soll oder nicht.Ich musste erst mit Alistair darüber reden. Deine Oma ist von allein draufgekommen, weil sie mich einmal gehört hat, als mir schlecht war, vormittags, als du in der Schule warst. Sie muss es Louise erzählt haben. Sie erzählt ihr immer alles.«
    »Willst du es jetzt behalten?«
    »Ich bin in der sechzehnten Woche, was glaubst du denn?«, antwortet sie kryptisch. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was das heißen soll, und gebe auf.
    »Warum bist du sauer auf mich?«
    Sie bläst sich auf, zuckt die Schultern und sagt: »Spiel hier nicht den Unschuldigen.«
    »Mach ich ja gar nicht! Sie mussten mir neue Sachen kaufen, Nic … ich hatte überhaupt nichts dabei. Doug hat nicht gerade vorbildlich gepackt …«
    Ihre Hand zittert, als sie die nächste Zigarette aus der Packung zieht. »Sag mir die Wahrheit, Ty. Wie oft hast du dich mit ihnen schon vorher getroffen? Wie lange lügst du mich schon an?«
    »Ich … noch nie … ich habe sie vorher noch nie gesehen. Was redest du da?«
    »Louise« – sie spuckt den Namen förmlich aus – »hat dich doch früher schon hierher gebracht, damit du sie kennenlernst, oder etwa nicht? Und ihn auch. Du hast mich seit Jahren angelogen. Du fühlst dich richtig wohl hier in diesem großen Haus, bei deinen netten reichen Großeltern, und ich wette, dass du bereits vorhast, mit deinem Dad nach Frankreich zu fahren.«
    Nach Frankreich? Was faselt sie da?
    »Was soll das denn heißen?«, frage ich sie, aber sie schreit nur: »Hör doch auf damit, Ty! Da musst du dich schon ein bisschen mehr anstrengen!« Sie greift in ihre Tasche und zieht einen Umschlag heraus, den sie mir entgegenschleudert. Meg knurrt und fängt an zu bellen, aber ich beruhige sie wieder und ziehe sie zu mir heran.
    »Jetzt erzähl mir bloß, dass du das alles nicht gewusst hast«, sagt meine Mum.
    »Ich weiß nicht mal, was das hier ist«, erwidere ich und mache den Umschlag auf. Ein kleines Heft fällt heraus, ein kleines purpurfarbenes Heft. Ach du Schreck! Es ist ein Reisepass. Ich werfe einen kurzen Blick auf die entsprechende Seite: Mein Gesicht! Mein richtiger Name! Das Foto von Fotofix.
    »Seit Wochen weiß ich nicht, wo du bist. Sie wollte es mir nicht sagen … weil es angeblich nicht sicher ist … Mein eigener Sohn! Ich habe mir alles Mögliche ausgemalt … hatte eine Heidenangst um dich. Dann finde ich heraus, dass sie die ganze Zeit schon Kontakt mit ihnen hat … seit Jahren, dass sie ihnen alles Mögliche über mich erzählt hat … und du … und du … und er … du wolltest mich hintergehen … habgierig … undankbar … und …« Sie hebt den Kopf. »Das lasse ich mir nicht gefallen. Du bist mein Sohn. Du gehörst mir.«
    »Ich gehöre niemandem … Ich bin kein Eigentum.«
    Sie irrt sich, aber insgeheim wünsche ich mir, dass es so gewesen wäre. Louise hätte mich zu meinen Großeltern bringen sollen. Auch wenn ich damit meine Mum hintergangen hätte. Ganz egal, was mein Dad getan hat. Warummusste ich das alles ausbaden? Es ist nicht fair. Denn ich mag Patrick und Helen wirklich gern – sogar Meg.
    Das darf ich ihr natürlich nicht

Weitere Kostenlose Bücher