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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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Claire hält es für blond, weil sie mich nur mit schwarzen Haaren kennt. Jetzt bin ich verwaschen, farblos, langweilig … Niemand würde es ihr übel nehmen, wenn sie nicht mehr auf mich stünde.
    »Ja, das ist meine Haarfarbe«, antworte ich. »Aber wahrscheinlich muss ich sie wieder färben, wenn ich hier rauskomme.«
    »Sieht gut aus«, sagt sie. »Aber schon irgendwie komisch. Siehst du so aus, wenn du nicht Joe bist?«
    »Ich bin immer noch Joe«, erwidere ich. Es ist mir egal, ob es stimmt oder nicht. »Claire, als ich dich zuletzt gesehen habe … beim letzten Mal, da … also da wollte ich dich wirklich küssen. Aber es ging einfach nicht.«
    »Das habe ich gemerkt.« Sie schüttelt sich vor Lachen, dann legt sie eine Hand auf meine Wange, legt ihren Mund auf meinen und ich schmecke ihren Kirschlipgloss und die Pfefferminzzahnpasta. Ihre Lippen sind so weich und so stark, und diese Leere in mir, dieses Ausgehöhltsein, füllt sich plötzlich mit lauter Freude.
    Mit einem Mal fühle ich mich wieder lebendig. Ganz plötzlich habe ich die Kraft und die Energie, mich aufzusetzen und sie ebenfalls zu küssen, und es ist so wunderbar, dass ich mich frage, ob ich das alles träume … ob es einer dieser echt fantastischen Träume ist.
    Komisch. Als ich damals Ashley geküsst habe, war esein bisschen so wie Anfänger-Sudoku. Es ging immer nur darum, was wohl als Nächstes kommt … wenn das dahin geht, dann muss das hier dorthin … und alles, was zählte, war das Endergebnis. Obwohl ich – genau wie beim Sudoku – nie so weit gekommen bin, wenn auch aus anderen Gründen.
    Aber Claire zu küssen, das ist wie ein diabolisches Sudoku, bei dem ich schon glücklich bin, wenn ich nur eine Zahl habe. Ich bin total konzentriert, plane überhaupt nichts, und es wird immer nur noch besser … obwohl ich mich schon frage, wieso ich jetzt ausgerechnet an Sudoku denke … Sie ist so süß und weich …
    Dann kommt Sue mit meinem Abendessen auf einem Tablett rein.
    »Also ehrlich!«, sagt sie und schaltet das Licht wieder an. »Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Arzt so was angeordnet hat!« Sie lacht herzlich über ihren lahmen Witz und stellt das Tablett scheppernd auf den Tisch. Ein Teller mit Fischauflauf und Obstsalat. »Rück mal ein Stück zur Seite«, sagt sie zu Claire, die sich auf einen Stuhl setzt. »Es ist wichtig, dass er wieder zu Kräften kommt.«
    Sie schiebt den fahrbaren Tisch so ans Bett, dass das Essen direkt unter meiner Nase steht, droht Claire scherzhaft mit dem Finger und sagt: »Die Besuchszeit war vor einer halben Stunde vorbei. Ich drücke heute mal ein Auge zu, weil du ihn wirklich aufgemuntert hast, aber ich möchte, dass du innerhalb der nächsten Stunde gehst, ja?« Dann geht sie raus und wir hören sie draußen mit Dennis lachen.
    Ich will den Tisch wegschieben, aber Claire sagt: »Nein, sie hat recht, du musst essen. Sonst wirst du nicht wieder gesund.«
    »Ich werde nicht gesund, wenn ich diesen Fraß hier esse. Ehrlich, Claire, hier drin wird man wie Dreck behandelt.« Wenn ich erst mal nach diesem elenden Krankenhausfisch rieche, darf ich Claire bestimmt nicht mehr küssen.
    »Ich weiß noch, dass Ellie total genervt war, als sie im Krankenhaus gewesen ist«, meint Claire. »Aber es hat ja ganz den Anschein, als würdest du bald entlassen.«
    Will sie damit sagen, dass ich ein Jammerlappen bin? Ellie war monatelang im Krankenhaus. »Ja, angeblich.« Ich erzähle ihr von Frankreich und dass ich in eine französische Schule gehen und vielleicht Eric heißen werde, und dann merke ich, dass sie nicht sehr fröhlich aussieht.
    Sie ringt sich ein Lächeln ab und ich beuge mich zu ihr rüber. »Es ist nur … Frankreich ist so weit weg«, sagt sie.
    »Hm. Ja. Ich weiß. Wir können ja mailen … oh Gott … was habe ich denn jetzt gesagt?«
    Vorher hat Claire nur ein bisschen traurig ausgesehen, aber jetzt quellen ihr dicke Tränen aus den Augen, ihre Nase läuft und sie legt eine Hand auf den Mund.
    »Nein … es … es liegt nicht an dir«, sagt sie. »Du hast gar nichts gesagt. Es ist wegen mir. Wegen etwas, das ich getan habe.«
    »Was meinst du?« Ich stoße den Tisch so energisch von mir, dass er bis ans Fußende des Bettes rattert. Der Fischauflauffliegt durch die Luft und landet mit einem Flatsch! auf dem Boden.
    Claire weint jetzt richtig. Ich versuche sie zu berühren, aber sie schüttelt den Kopf und kauert sich auf ihren Stuhl. Ich komme mir vor wie ein Idiot.
    »Du bist

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