Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
Vom Netzwerk:
meiner Tür weg. Wenn sich jetzt jemand reinschleicht? Wenn plötzlich ein Killer reinstürmt? Ich versuche mit aller Gewalt, mir deswegen keinen Kopf zu machen, nicht paranoid zu werden – und nicht zusammenzuzucken, als ich es draußen im Flur rascheln höre … und dann Schritte.
    Und dann klopft es an der Tür.

Kapitel 32
Besuch
    Normalerweise klopft niemand bei mir an. Ich denke auch nicht lange darüber nach, ob ein Killer mit Pistole anklopfen würde. Ich gehe auf Tauchstation und will mich unter das Bett rollen, doch mein Arm hängt immer noch an einem Schlauch. Autsch!, schon reißt er heraus und ich falle neben dem Bett auf den Boden und blute meinen Schlafanzug voll.
    Dann geht die Tür auf und Claire kommt rein.
    Ich kann’s nicht glauben. Ich bin so verdutzt, dass mir der Mund offen stehen bleibt. Die Hand, aus der der Schlauch rausgerissen ist, tut höllisch weh. »Warum sitzt du auf dem Boden?«, fragt Claire. Und dann: »Oh Gott, du blutest ja! Da liegt eine Pistole! Was ist passiert?«
    Dann hören wir die Klospülung und das Zischen von Raumspray – vielen Dank, Dennis, damit ist dieser Augenblick total am Arsch! –, und mein Polizist taucht wieder auf und sagt: »Kaum lasse ich dich mal zwei Minuten allein, schon schmuggelst du ein Mädchen rein. Na dann, alles Gute, Kumpel.«
    Er nimmt sein Pistolenhalfter und geht wieder nachdraußen, wo er sich vor die Tür stellt. Ich glaube, er nimmt seine Aufgabe nicht besonders ernst.
    »Was … wie … warum bist du hier?«, frage ich Claire. Meine Stimme hört sich schwach an. Claire hat ein paar Papiertaschentücher gefunden, wischt mir das Blut vom Arm und fragt ängstlich, ob sie eine Schwester rufen soll. Aber ich habe nicht vor, jemanden zu alarmieren, der mich darauf hinweist, dass die Besuchszeit vorbei ist. Ich steige wieder ins Bett, drücke ein Taschentuch auf die Hand und die Blutung scheint nachzulassen. Claire schmiegt sich an mich und ich bin unglaublich glücklich. Mein Gesicht ist ein einziges, in die Länge und Breite gezogenes Lächeln.
    »Du hast gesagt, dass ich kommen soll, also bin ich gekommen«, sagt sie. Sie trägt schwarze Jeans und ein weiches rosafarbenes Oberteil. Ihre Augen sind mit Kajal dunkel geschminkt. Sie hat glänzenden Lipgloss drauf und türkise Fingernägel und sie hat blonde Strähnchen in den Haaren.
    Sie sieht überhaupt nicht mehr wie die Claire aus, in die ich mich verliebt habe.
    Aber als ich die Augen schließe, rieche ich ihren sauberen Seifenduft und wir sind wieder in ihrem dunklen Zimmer. Nur dass sie diesmal die Coole und Attraktive ist und ich derjenige, der völlig fertig ist. Beim letzten Mal war sie geritzt und hat geblutet, und diesmal … diesmal bin ich derjenige.
    »Wie bist du hierhergekommen? Haben dich deine Eltern hergebracht?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Die sind in Prag, wo Ellie einen Wettkampf hat, und ich und die Jungs sollten mit meiner Oma zu Hause bleiben. Aber ich habe sie überredet, dass ich bei Zoe übernachten darf, weil ihr die Jungs schon genug Stress machen und sie auch nicht mehr die Jüngste ist.
    Zoe wollte unbedingt Archie wiedersehen, also ist sie mitgekommen und wohnt bei ihrer Tante in London. Ihre Mutter war damit einverstanden. Ich sage meinen Eltern nichts davon, weil sie sich sonst bloß unnötig Sorgen machen. Morgen fahren wir zurück, da kriegen sie überhaupt nichts mit.«
    »Oh, Mann«, sage ich. Ihre Eltern bringen sie garantiert auf der Stelle um, wenn sie dahinterkommen, aber es scheint ihr überhaupt nichts auszumachen.
    »Zoe und Archie holen mich später hier ab«, sagt sie.
    Ich will sie gerne an mich drücken, aber mein Körper fühlt sich wie ein verschwitztes Stück Käse an. Ein verschwitzter, schmerzender Klumpen. Alles fühlt sich falsch an. Dann steigt Claire vom Bett runter und macht das Licht aus. Es ist nicht ganz dunkel, weil die Straßenlampe von draußen durchs Fenster reinscheint, aber in dem orangefarbenen Schimmer kommt uns das Zimmer so vor, als gehörte es uns allein.
    Sie kommt wieder zu mir und sagt: »Wie geht’s dir denn? Du hast ja überall Schrammen und Flecken.«
    »Mir geht’s gut.« Das blaue Auge verblasst zwar langsam, aber ich habe wirklich schon besser ausgesehen.
    »Archie hat gesagt, sie hätten dich fast umgebracht.«Sie streicht mir übers Haar. »Ich habe dich so noch nie gesehen. Du bist so dünn. Ist das deine echte Haarfarbe? Du bist so blond.«
    Meine Haare haben die Farbe von ausgebleichten Cornflakes.

Weitere Kostenlose Bücher