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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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bestimmt wütend auf mich«, sagt sie.
    »Aber nein, Claire. Ich könnte nie wütend auf dich sein.«
    Mir ist innerlich ganz kalt, ich fühle mich schwach und verletzlich. Was ist passiert? Mit wem hat sie rumgemacht?
    Dann sagt sie: »Es war in dem Hostel. Nachdem du weg warst.«
    »Was … Wer?« Ach du Schreck. Das ging aber schnell.
    »Die Polizei ist gekommen und sie haben mit mir geredet, und Joe … Ty …«
    »Was denn? Sag’s mir …«
    »Ich habe ihnen deine Mail gezeigt.«

Kapitel 33
Verlangen
    Vielleicht übertreibt sie ja. Vielleicht waren es bloß Dorfpolizisten, Küstenbullen, die keine Ahnung von dem Fall haben und sich auch nicht weiter darum kümmern …
    Andererseits dürfte sich jeder Bulle für etwas interessieren, in dem steht: »Ich habe die Polizei angelogen.«
    »Es war ein Detective Inspector Morris«, sagt sie, reibt sich die Augen und schnieft laut. »Deine Mutter hat ihn angerufen, nachdem ich ohne dich zurückgekommen bin. Er ist extra aus London gekommen. Er kam mir wirklich nett vor, richtig besorgt um dich. Er hat gesagt, ich müsse ihnen so gut es geht helfen, sonst bist du nicht mehr sicher …«
    Na klar, der gute alte DI Morris. Chefermittler im Mordfall Rio. Der sich auf mich als Star-Zeugen verlässt. Das sind keine guten Nachrichten.
    »Also habe ich ihm erzählt, dass wir in Mailkontakt stehen. Und ich habe ihm diese eine Mail gezeigt … Ich hatte sie ausgedruckt. Ich musste ständig darüber nachdenken, weil ich nicht genau wusste, was du damit gemeint hast … was du eigentlich getan hast …«
    Ich schlucke. »Schon gut, Claire, schon gut. Ich hättesie dir überhaupt nicht schicken sollen. Es war nicht fair dir gegenüber.«
    »DI Morris hat richtig sauer ausgesehen«, sagt sie mit leiser Stimme. »Er hat sie dem anderen Polizisten gezeigt, und der hat gesagt: ›Da hast du ja doch recht gehabt.‹ Und dann hat der andere gesagt: ›Warte mal, bis die Verteidiger das in die Finger kriegen‹, und dann haben sie verlangt, dass ich eine Aussage mache.‹
    »Und?«
    »Ich habe eine Aussage gemacht. Ich musste nur sagen, wie wir uns kennengelernt haben und woher ich deinen richtigen Namen kenne und dass du mir die Mail geschickt hast. Meine Eltern haben sie auch gelesen …« Ihre Stimme ist jetzt ganz zittrig. »Sie waren nicht begeistert davon.«
    Eigentlich müsste ich die Panik kriegen, aber ich bin ziemlich ruhig. Genau genommen bin ich so gelassen wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr.
    Allerdings erinnern mich Claires Tränen und das Blut, das auf meinem Arm trocknet, an unsere erste Begegnung. Damals, als ich gesehen habe, dass sie sich ritzt. An meine Gefühle, als ich gesehen habe, wie das Blut an ihrem Arm hinabrann. Die Erregung. Das Schuldgefühl. Ich merke, wie mich langsam das gleiche Gefühl überkommt. Ich verabscheue mich dafür, aber zugleich ist … ist es einfach da.
    Außerdem habe ich so ein Verlangen. Es fühlt sich an wie ein Bärenhunger. Aber nicht auf Fischauflauf.
    »Komm zu mir«, sage ich, »bitte, Claire, komm zu mir.«Sie sieht mich nicht an, setzt sich aber wieder neben mich aufs Bett. Sie ist nicht auf der Seite mit der Wunde, deshalb kann ich mich zu ihr hinüberbeugen, sie an mich drücken, ihre Tränen mit einer Hand wegwischen, während mein gieriger Mund den ihren findet … Es ist kein sanfter, weicher Kuss, sondern ein gieriger, durstiger, bissiger, und das ist erst der Anfang … es ist noch lange nicht genug … und ich möchte … ich möchte … jedes Fleckchen meiner Haut möchte an ihrer Haut liegen und meine Knochen verlangen nach … nach … sie wollen …
    Zuerst ist sie zurückhaltend und unsicher, aber dann kniet sie sich aufs Bett und nimmt mein Gesicht in die Hände … oh Gott …
    Ich weiß nicht, welche Tränen zu wem gehören, und ich weiß nicht, wessen Haut welche ist, und meine ruhelosen Hände suchen, streicheln ihr Gesicht, ihren Nacken, schieben sich unter ihr T-Shirt, liebkosen ihren schönen Hals, berühren ihre Arme …
    Scheiße.
    Meine Finger beenden ihre Erkundungsreise. Ich habe … was habe ich eigentlich gefunden? Eine Unterbrechung. Eine raue Stelle. Es ist … ein Pflaster. Scheiße.
    Ich weiche zurück, hole keuchend Luft. »Claire … was … hast du wieder mit dem Ritzen angefangen?«
    »Nein.« Sie zieht sich zurück.
    »Du bist …« Ich bremse mich, sage mir, dass es jetzt keine Rolle spielt. Es ist ihre Sache. Ich kann nichts daran ändern. Ich muss mich nur um dieses Verlangen

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