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Die letzte Chance - Final Jeopardy

Titel: Die letzte Chance - Final Jeopardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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entnehmen, die meinen pathetischen Zustand mit einem gallischen Namen veredeln würde.
    Die frühen Fallbeschreibungen waren alle ziemlich interessant, da sie die typische Erscheinungsform der Krankheit herausarbeiteten. Die Patienten waren gewöhnlich Frauen von sozial niedriger Herkunft, die männlichen Opfer hatten generell einen höheren sozialen und finanziellen Status: leitende Angestellte, Ärzte, Schauspieler. Diese ansonsten geistig völlig gesunden Frauen beharrten darauf, ihre Wahnvorstellung beweisen zu können, in Form von Zeichen wie »bedeutungsvollen Blicken, Botschaften über Zeitungsanzeigen oder telepathischer Kommunikation«.
    Ich muß zugeben, daß mich de Clerambaults erste Fallanalyse amüsierte, als ich in Gedanken das Opfer- König George V. von England - mit dem, das ich kannte - Jed Segal -, verglich. Der französische Psychiater schrieb, einer seiner aufregendsten Fälle habe mit einer fünfzigjährigen Landsmännin zu tun gehabt, die davon überzeugt gewesen sei, König George liebe sie - obwohl sie sich nie begegnet waren. Sie glaubte, britische Touristen und Seeleute wären Abgesandte Seiner Majestät, zu ihr geschickt, um ihr seine Liebe zu erklären. Die Frau fuhr mehrmals nach London. Auf einer dieser Reisen, im Jahre 1918, stand sie stundenlang vor dem Buckingham Palace und wartete darauf, einen Blick auf ihren Geliebten zu erhaschen. Als sie schließlich sah, wie sich ein Vorhang in einem Fenster bewegte, interpretierte sie dies als Signal des Königs. Und all denen, die sie zur Vernunft zu bringen suchten, erklärte sie: »Der König mag mich hassen, aber er kann mich nie vergessen.«
    Nach diesem heiteren Abschluß konnte ich das Buch für die Nacht schließen und schlafen gehen.
    Ich griff nach dem Lichtschalter und bemerkte, daß die rote Lampe an meinem Anrufbeantworter nicht blinkte. Ich meinte
mich daran zu erinnern, daß David Mitchell gesagt hatte, er habe eine Nachricht hinterlassen, kurz bevor ich gestern abend von Rao’s nach Hause gekommen war. Aber dann fiel mir ein, daß Maureen ihren Mann angerufen hatte, dabei hatte sie vermutlich aus Versehen den Rückspulknopf berührt. Morgen früh würde ich meine Eltern anrufen, um mich bei ihnen zu melden, aber einstweilen würde ich mich Träumen von einer psychose passionnelle hingeben. Alles - sogar eine Geisteskrankheit - klang auf französisch besser.

22
    E s regnete nicht mehr, als mein Wecker um sieben Uhr läutete, und als ich die Vorhänge öffnete, blickte ich in einen herrlichen Oktobermorgen hinaus. Es war Donnerstag, und ich versuchte mich daran zu erinnern, wie mein heutiges Programm aussah, während ich mich duschte und an das Wochenende dachte. Ich hatte es ursprünglich mit Jed verbringen wollen, und darum gab ich mich nun Tagträumen von einer entfesselten Einkaufstour hin, einer neuen Frisur, die ein neues »Ich« verkünden würde, und einem Frauenabend mit ein paar meiner Freundinnen in einem schicken Restaurant.
    Ich hatte keine Lust, mir ein Taxi zu besorgen, darum rief ich bei einem Chauffeurdienst an und ließ mich ins Büro bringen. Fast auf der ganzen Fahrt downtown las ich meine Times, ein bißchen abgelenkt vom Radiosprecher. Als ich das Gebäude durch die Drehtür betrat, war ich froh, Battaglias Wagen noch nicht auf seinem reservierten Parkplatz direkt vor der Behörde zu sehen.
    Laura trank mit Rods Sekretärin ihren Kaffee draußen auf dem Gang, und die Telefone standen noch still. Ich schaltete meinen Computer an und schickte per E-Mail ein paar Nachrichten ab. Dann beschäftigte ich mich mit meiner Erwiderung auf die Anträge, die ich im Reynolds-Fall vorlegen mußte.
    »Darf ich reinkommen?« Ich sah auf und erblickte meinen alten Freund Mickey Diamond, langjährigen Gerichtsreporter der Post. Er war seit fast dreißig Jahren im Gerichtssaal zu Hause und galt als Doyen der Boulevardblattgerichtsreportage. Diamond war groß und schlank, hatte silbernes Haar und ein unwiderstehliches Lächeln - sogar dann, wenn er besonders unverschämt war. Eine Pressekonferenz über einen Vergewaltigungsfall ging nie zu Ende, ohne daß er wissen wollte, wie das Opfer aussah. Auch wenn Battaglia sich weigerte, diese Frage zu beantworten, Mike brachte eine erfundene Beschreibung. Wenn er annahm, das Opfer sei schwarz gewesen, weil sich das Verbrechen
in einem Mietshaus in Harlem abgespielt hatte, würde sie in der Zeitung als »schwarzhaarige Schönheit« erscheinen, falls die Vergewaltigung in einem

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